Ist ER zu schwach?

Oft lese ich in den Berichten submissiv geneigter Frauen von frustrierenden Erfahrungen mit realen Partnern: Was mittels Fernbeziehungen so wunderbar gelingt, scheint in der Nähe eines gemeinsamen Alltags einfach nicht klappen zu wollen, bzw. es verliert sich nach und nach. Ja, es treten sogar ganz neue, widerständige Gefühle auf, wenn ER die einst geliebten und ersehnten „dominanten“ Verhaltensweisen zeigt.

Warum ist das so? Viele erklären sich das mit „mangelnder Dominanz“: Er war / ist halt nicht wirklich ein Dom, frau hat sich geirrt, er hat vielleicht etwas vorgegaukelt, was gar nicht seiner Wahrheit entspricht. Und die Suche geht von vorne los…

Ich denke, es liegt an etwas Anderem, nämlich daran, dass die Neigung sich grundsätzlich auf “Traum-Dom” richtet: mehr oder weniger eine Märchengestalt, die in jeder Hinsicht SOUVERÄN agiert, sowohl im zwischenmenschlichen als auch in jedem anderen Bereich.

Erfüllung aus der Ferne

Das klappt mit fernen Partnern in der Regel eine Zeit lang sehr gut: per Projektion dichten wir ihm alle nur erdenklichen und erträumten Eigenschaften an, erreichen per Mail, SMS, Telefon eine vermeintliche “Nähe”, die an “Tiefe” alles toppt, was je im richtigen Leben erlebt wurde. Und ab und an ein Treffen, ganz im Zeichen der Neigung, bringt Erfüllung und verstärkt noch die Sehnsucht, MEHR DAVON bekommen zu wollen.

Die vermeintliche Nähe lebt allerdings von realer Distanz, denn nur so kann die Illusion aufrecht erhalten werden, das Gegenüber sei tatsächlich so wunderbar und großartig – und vor allem SOUVERÄN!

Doch egal, wie wunderbar nun einer als “Dom” sein mag: sobald daraus eine nahe Partnerschaft mit gemeinsamem Alltag entsteht, bröckelt die Illusion zwangsläufig. Deshalb haben auch viele nur recht kurze Beziehungen. Es heißt dann, er war “nicht wirklich dominant” und die Suche nach Traum-Dom geht weiter.

Bleibt man beieinander oder entdeckt aus einer bestehenden Partnerschaft heraus die “andere Erotik”, wird DS alsbald “spielerischer”: Es lässt sich eben nicht auf Dauer verbergen, dass der Partner selbstverständlich ebenso “abhängig” ist wie die allermeisten sozialkompatiblen Menschen: von der Arbeitssituation, von Launen und Stimmungen, von familiären Ereignissen, von Freundschaften und deren Gelingen – und gefühlsmäßig natürlich auch vom Partner/der Partnerin. Wäre dem nicht so, wäre man ihm ja EGAL und es gäbe gar keine Partnerschaft. Zudem zeigen sich in der Nähe noch andere Ecken und Kanten des Gegenübers, die nicht ins Bild von Traumdom passen, die aber jeder Mensch irgendwo hat.

Für “spielerisches”, also auf gewisse Stunden und Momente beschränktes DS gilt dann, dass es nur klappt, wenn keine sonstigen Konflikte die Beziehung belasten. Gibt es solche, wird es bei Sub nicht zu lustvoller Unterwerfung kommen, sondern zu sehr ernst gemeinten Gefühlen des Widerstands – vielleicht sogar gepaart mit einem Hauch von Verachtung…

Das sind nur meine Erfahrungen und Eindrücke aus Gesprächen mit vielen FemSubs, ich will damit nicht behaupten, dass alle das so sehen müssen.

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10 Kommentare

  1. Wollte mal ein großes dickes Dankeschön dalassen.
    Ich habe deinen Blog erst vor kurzem und mehr durch Zufall entdeckt, und mir gibt er seither immer wieder neue Aha-Momente und Material zum Grübeln und Nachdenken- oder auch einfach nützliche Hinweise und Weisheiten, an die man als „Frischling“ so einfach nicht kommt… Hier also ein fettes Danke für all die praktischen Tipps wie z.B. zur Kommunikation in der Session oder die Bondage-Tutorials, für die Gedankengänge und Überlegungen zu den Motiven und Hintergründen des SM, und all die Erfahrungen, die du hier so „for free“ mit uns teilst.
    Ich würde mich sehr freuen, auch in Zukunft immer mal neue Einträge hier lesen zu können, auch gerne zu all den „Kleinigkeiten“, die dir inzwischen vielleicht als Selbstverständlich erscheinen mögen, für die Nicht-Ganz-So-Erfahrenen wie mich aber einen gewaltigen Wissensschatz bedeuten.

  2. Auch von mir als gerade in den Bereich hineinschnuppernden Vielleicht-Dom vielen Dank! Erwartungen scheint mir beim BDSM ein noch größeres Thema zu sein als beim „normalen“ Sex. Ich empfinde es bei aller Faszination und bei allem Reiz dieses Stils als die größte Herausforderung für mich, authentisch zu bleiben. Das „Perverse“, das „Tier in mir“ verunsichert ohnehin und die „Szene“ scheint mir manchmal etwas erwartungsüberfrachtet zu sein: Dom ist so, Sub ist so. Leider mache ich gerade die Erfahrung, dass die Kommunikation mit meiner in diesem Bereich erfahreneren (manchmal fürchte ich auch „Dominanteres“ gewöhnten) Partnerin nicht einfach ist. Zumal ich sie sehr liebe, und das macht es nicht entspannter, scheint doch manchmal vom Gelingen nicht nur mein männliches Ego abzuhängen, sondern auch noch zu allem Überfluss das Herz. Und lieben tu ich nicht nur als dominantes Wesen und geliebt werden will ich auch nicht nur als solches. Aber hier kommt das Kommunikationsdilemma zu tragen. Ich frage mich: Wenn ich Zweifel äußere, Unsicherheiten zeige, untergrabe ich dann meine Dominanz? Sie sagt: Ich kann Dir doch nicht sagen, was Du machen sollst. Und so schmort man im eigenen Saft. Wo man doch bei aller Rollenverteilung etwas Gemeinsames möchte, das erkundet und entdeckt werden will und muss. Der alte Rat für erfüllenderen Sex „Redet!“ scheint mir beim BDSM sehr schwer umsetzbar.
    Vielleicht wäre das ein Thema, dem Du Dich widmen möchtest? Vielleicht habe ich es auch nur hier noch nicht gefunden. Würde jedenfalls gerne von Dir darüber lesen, denn der ganze Blog ist erfreulich klug, ganzheitlich und differenziert!

  3. Vielen Dank für den super Artikel. Steh ich wirklich zu 100% dahinter. Auch dein gesamter Blog ist wirklich sehr lesenswert und ich freue mich schon sehr auf neue Artikel. Weiter so!

    Viele Grüße
    Judith

  4. Liebe Clu,
    liebe Männer,
    es ist eine Frage der inneren Haltung. Mann muss nicht zur Lusche werden! Ich kann von mir im Gegenteil sagen, dass ich in meiner Dominanz auch IN der Beziehung wachsen kann. Es ist wie mentales Fitness- Training. Wachsend in der erwachsenen, immer MEHR Verantwortung übernehmenden, fürsorglichen Haltung, Präsenz (in der Aufmerksamkeit für die Gegenwart!) auch immer wieder widerstehen den Versuchungen von Frauen, mütterlich zu werden, … das lässt Frau auch weicher und vertrauens- und hingebungsvoller werden.. Es ist ein Tanz, die Musik des Lebens spielt, aber ob DU dazu einen innigen Tango tanzt oder beziehungslos, blutleer nebeneinander her zappelst, das entscheiden die Partner täglich neu.

  5. @Thomas: was meinst du mit „auch immer wieder widerstehen den Versuchungen von Frauen, mütterlich zu werden“ ?

    Ist „mütterlich“ nicht DASSELBE wie „Wachsend in der erwachsenen, immer MEHR Verantwortung übernehmenden, fürsorglichen Haltung, Präsenz (in der Aufmerksamkeit für die Gegenwart!) “ – und wenns ein Mann ist, heißt es „väterlich“?

  6. Kann es sein, dass die Krise des Männlichen / des Mannes etwas damit zu tun hat, dass er den VATER in der heutigen Welt nicht in „Männlichkeit“ integrieren kann?

  7. Das Thema „Vater“ in der Männlichkeit wird transparenter im Gegensatz von Thymos und Eros (!!), dem stolzen, gebenden einerseits und dem kindlich, nehmenden Teil des Menschen.
    (Peter Sloterdijk auf Cicero)

  8. Sehr schöner Artikel, Danke!
    Sicher, es gibt Paare die ständig in einem D/S Verhältnis stehen und Augenhöhe nicht gewünscht ist. Das dürfte jedoch die Ausnahme sein.

    Ich finde es deshalb gut, wenn immer der aktuelle Kontext bewusste ist. D.h. es muss nicht abgestimmte Treffen oder Zeiten geben, einem eingespieltes Paar kann dieses Umschalten auch ein einer Alltagssituation gelingen. (Bsp.: Sie steht vor dem Schrank weiß nicht was sie anziehen soll, er spricht das Machwort hierzu. ). Anfängern würde ich empfehlen, mit einem Halsband zu arbeiten. Trägt sie es, sind die Rollen klar.

  9. Toll, die Einträge! Vertiefend, nicht ohne Humor, psychologisch sehr interessant, und mit Herz geschrieben. Danke!

    In meiner eigenen Erfahrung als Sub spielt die GEISTIGE Dominanz eine zentrale Rolle: Mein Partner hat es geschafft, mich durch seine unglaubliche Fürsorge, Achtsamkeit und durch seine PRÄSENZ zu unterwerfen und seelisch zu binden. Keine Spur von Bedomsen und Forderungen und Gehorsamstests und all diesen klischeehaften Vorstellungen von DS. Und er hat mich AUF DIESE WEISE soweit gebracht, dass ich (fast) alles für ihn tun würde. Das heißt nicht, dass unser Spiel nicht ohne Zumutungen verläuft. Ich kann mir DS nicht mehr anders vorstellen als eingebunden in eine Beziehung, in der zumindest Zuneigung die Basis ist. Das braucht Zeit. Ein menschlicher Dom? Je mehr er sich zeigt und seine Unsicherheiten, Verletzungen und Probleme offenbar werden, umso inniger wird meine Zuneigung zu ihm und meine Lust, mich ihm zu unterwerfen. Sogenannte Schwäche und Dominanz schließen sich in meinem Erleben überhaupt nicht aus.

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