Wieviel dominanter Egoismus ist ok?

Mit dieser Frage quält sich so mancher, im BDSM noch unerfahrene Top. Zwar ist Sub im Kopfkino stets willig und bereit, aber kaum ein Mann ist so verblendet, nicht zu wissen, dass ein Revival des Haustyrannen oder schlichten Macho unterm BDSM-Banner nicht das ist, was FemSubs suchen.

Solche Zweifel sind also eher ein Güte-Siegel, nicht etwa ein Zeichen der Schwäche oder mangelnder Neigung. Die Frage ist auch für sich genommen interessant, führt sie doch mitten hinein ins BDSM-Paradox!

„Zeigen, was ich möchte, wünsche und will“
– so beschrieb kürzlich ein Top in der SZ seine Dominanz – und berichtete, dass er schon allein damit im Gespräch mit Vanilla-Freunden auf Unverständnis stoße und der Egoismus-Vorwurf im Raum stehe.

Vermintes Gelände

Ist es aber wirklich schon egoistisch, die eigenen Wünsche klar auszusprechen? Was sagt diese Bewertung männlicher (!) Wünsche über die „normal“ genannte Beziehungswelt? Lange schon halte ich den BDSM-Boom und insbesondere DS für eine seltsame „Blüte“ auf den sumpfigen Gewässern unfreier und belasteter Beziehungsgeschichten.

Denn oft genug gilt da unter dem Deckmantel offizieller „Augenhöhe“ und Gleichberechtigung zweierlei Maß: Selbstverständlich darf und soll Frau sagen, was sie sich wünscht (und Mann fragt „danach“ gerne: Wie war ich?). Sagt aber ein Mann direkt und unverstellt, was er will – tja, da stellt Frau schon gern die Stacheln auf: Wie kommt er dazu, so etwas von ihr zu verlangen? Mit welchem Recht meint er, sie solle ihm zu willen sein? Haben wir nicht ein paar tausend Jahre Patriarchat glücklich hinter uns gelassen? Meint er etwa, er dürfe fordern, nur weil er Mann ist? Usw. usf.

Ich behaupte nicht, dass das wortwörtlich in den Köpfen steht, wenn es zu solchen „Affront-Erlebnissen“ kommt. Aber unterschwellig ist der Boden, auf dem all das stattfindet, noch immer von den Tretminen des Geschlechterkampfs verseucht – auch wenn die jeweils Jungen nichts dafür können.

Es wundert also nicht, dass eine Fast-Massenbewegung entstanden ist, in der Hetero-Paare der Frau quasi durch die Subrolle ein „Handycap“ verpassen, das dem Mann ermöglicht, sich mal wieder in der Rolle desjenigen, der alles tun und fordern darf, auszuprobieren. Und Frau kann endlich mal die unausgesprochene Zuständigkeit fürs Beziehungsgeschehen aufgeben, die Kontrollsucht loslassen, Erziehungsversuche einstellen, Überraschungen genießen, Hingabe üben.

Paradox: Egoismus wird zur Wunscherfüllung

Aber zurück zur Frage: Ob ein Verhalten nun „egoistisch“ oder „dominant“ ist, entscheidet sich erst im Umgang mit den Interessen der Anderen. Aussprechen, was man will, gehört zur klaren Kommunikation und sollte für sich genommen nie negativ bewertet werden. Spannend wird es erst, wenn sich widerstreitende Interessen gegenüber stehen. Wobei der Umgang mit dieser Situation im Alltag natürlich ANDERS sein wird als in einer expliziten DS-Beziehung oder DS-Situation.

im BDSM ist Sub in der Regel willens, bis zu einem noch heraus zu findenden Maß jegliche „egoistische“ Eigendynamik des Tops zu erotisieren. Das Kopfkino hat es ja vorgezeichnet, also gibt man der Sache alle Chancen, nun auch „real“ als total geil erlebt zu werden. Der „dominante Egoismus“ ist hier paradoxerweise die Wunscherfüllung der Sub – und meist brauchen (gute) Tops einige Zeit, bis sie sich das richtig trauen.
Nach einer gemeinsamen Abenteuer- und Grenzen-Test-Phase WEISS Sub dann aber, was sie WIRKLICH nicht mag. Und erkennt auch, falls Top Tendenzen zeigt, zum faulen Macho zu mutieren und sie „einfach nur zu benutzen“.

Die weibliche Sub, die das nachhaltig akzeptiert, ist so selten wie der männliche Putz-Sklave, der einfach nur putzen will!

Womit wir dann wieder im „Normalen“ angekommen sind, bzw. auf der Beziehungsebene, die – egal ob bei SMler oder Vanillas – heutzutage erfordert, das beide Seiten auf ihre Kosten kommen, bzw. ihr jeweiliges Glück verwirklichen können.

Totaler Egoismus ist da kontraproduktiv, das Glück des Anderen zu wollen, muss Teil des eigenen Glücks sein – und ist es ja meistens auch. (Schließlich ist es auch eine tolle Selbstbestätigung, wenn das Gegenüber begeistert ist – und nicht etwa wegen der Beziehung depressiv wird).

Das Problem dabei: Das eigene Glück darf nicht aus dem Blick geraten und muss vom Gegenüber ebenso akzeptiert werden. „Geben & Nehmen“ funktioniert erst, wenn beide gegensätzliche Interessen zugeben und klar kommunizieren können. Ohne schlechtes Gewissen und die Angst, von der Partnerin dafür subtil bestraft zu werden.

BDSM bietet dann tatsächlich ein wunderbares Experimentierfeld, sich unter – zunächst -anderen Vorzeichen („alles erlaubt!) auszuprobieren. Dabei wächst dann auch die Sensibilität für DS im Alltag – und im besten Fall die Kompetenz, je nach Erfordernis der Situation effektiv zu herrschen oder zu dienen, entlang an eigenen Werten und den sich daraus ergebenden Interessen.

7 Kommentare

  1. Hallo Clu Maria,
    das ist ein wundervoller Artikel. Dem ist nichts hinzuzufügen. Du sprichst ein Thema an, das mich auch gerade sehr beschäftigt.
    Mit einem Gruß
    mmmarie

  2. Pingback: Fordern und Unterordnen | StriemenBlog

  3. Das Glück des Anderen zu wollen, muss TEIL des eigenen Glücks sein.
    Totaler Egoismus hebt sich damit auf und das eigene Glück kann sich dadurch nicht verlieren.
    Ein wundervoller Text.
    Danke schön

  4. Pingback: Devote Frauen und wie man mit ihnen umgeht | Sex in the air

  5. Ja, nach so langer Zeit hat dann doch noch Jemand diesen Blog gefunden und für gut befunden.
    Ich habe diese Seite durch einen Tipp gefunden aus dem Joyclub und bin sehr begeistert.
    Toll geschrieben, nachvollziebar und mir, die noch nicht so lange dabei ist, vollkommen klar.
    Auch die Anderen Seiten habe ich schon fast alle gelesen, ich denke auch für mich wird das Ein oder Andere noch auf mich zu kommen. Aber wenn man weiß was kommen kann, ist man vielleicht nicht mehr so überrascht.

    Vielen Dank für diese Deine Gedanken, die Du super in Worte gefasst hast.

    Schönen Gruß

    SamiraZ

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