Angst vor Switchern?

Immer wieder hört man in der Szene, dass Switcher nicht gemocht, bzw. aus verschiedenen Gründen abgelehnt werden. Zum einen liegt das daran, dass sich viele „Einseitige“ ihren Partner einfach nicht in der anderen Rolle VORSTELLEN wollen: zu stark ist das Bedürfnis nach klaren, der EIGENEN aktuellen Neigung entsprechenden Verhältnissen, die man am liebsten auch im Alltag nicht konterkariert sehen möchte, geschweige denn ganz offiziell zur Kenntnis nehmen will.

Ein weiterer Grund der Ablehnung ist auch die Angst, dass ein Switcher-Partner, der in der Partnerschaft nur eine Seite ausleben kann, auf Dauer nicht glücklich sein könne – ein großes Problem für alle Monogamen, die selbst nicht switchen. Es erscheint also sehr vernünftig, Switcher erst gar nicht in Betracht zu ziehen, was u.a. dazu führt, dass viele ihre „anderen Interessen“ gar nicht erst zugeben.

Entgegen der „herrschende Meinung“ gibt es aus meiner Sicht DEN Switcher bzw. DIE Switcherin, die über ihr Wechselbedürfnis und die Formen, die das annehmen kann, totale Klarheit haben, eher selten. Der Seitenwechsel ist ja häufig etwas, das sich erst im Lauf der Zeit einstellt: Irgendwann ist die Seite, auf der man angefangen hat, ausgiebig durchlebt, und das bedeutet auch, dass der psychische Druck, der Drang danach, die Heftigkeit des Verlangens nach Ausleben z.B. der Sub-Seite nachlässt. Was liegt da näher, als es mal auf der anderen Seite zu versuchen? Erst recht, wenn da eine attraktive Person ist, bei der das grade gut passt?

Erweist sich die Erfahrung als lustvoll, ergibt sich dann eventuell ein Selbstverständnis als Switcher, sofern man nicht gleich ganz die Seiten wechselt (auch das ist ja nicht etwa selten!). Das heißt aber nicht unbedingt, dass das Switchen zwanghaft wird, so nach dem Motto: ich MUSS jetzt endlich wieder einen finden, der meine zweite Seite bedient!

Seit ich mit SMlern Kontakte pflege (ca. Ende der 90ger) stellte sich in intensiven, tief gehenden und ehrlichen Gesprächen immer wieder heraus, dass auch sogenannte „Einseitige“ durchaus Interesse und gewisse Sehnsüchte in Richtung der anderen Seite haben (=gefühlte 70%). Sie erleben ja ständig die Lust ihrer Gegenüber – und irgendwann ist da auch Neugier, manchmal sogar Neid. Der Schritt zum Ausprobieren ist dann gar nicht mehr weit.

Sind Switcher in Beziehungen ein Problem?

Ob jemand mehr als einen Partner braucht, um in seinem Neigungsleben glücklich zu sein, ist m.E. eine ganz andere Baustelle, die an sich nichts mit dem Switch-Potenzial einer Person zu tun. Diese „Gefahr“ wird den Switchern nur gerne angepappt, weil es so schön einfach ist, dieses „Problem“ auf möglichst klar umrissene Personengruppen zu projizieren.

Fakt ist ja, dass auch Hunderttausende Normalerotiker nach einiger Beziehungszeit Lust auf fremde Haut bekommen und das dann auch ausleben, meist heimlich, seltener offen. Ebenso häufig ist unter BDSMlern das Einbeziehen Dritter, viele kickt auch das sogenannte „Verleihen“ – und dann gibts da noch die Doms, die sowieso meinen, sie dürften soviele Subs haben wie sie eben mögen. Nicht zu vergessen auch die vielen SMler, die darüber herum rechten, dass sie gerne bestimmte Erfahrungen mal machen wollen, die eben leider mit dem aktuellen Partner nicht möglich sind: sei es, weil dessen Tabus berührt würden, oder auch, weil sich bestimmte Kicks in vertrauter Partnerschaft einfach nicht mehr inszenieren lassen.

„Ich muss switchen“ ist da also nur eine Variante bzw. Ausrede unter ganz vielen, die für Monogame problematisch werden können.

Was ich AUCH feststelle: unter den ÄLTEREN gibt es deutlich mehr Menschen, die ihre mittlerweile etwas flexiblere Neigung ganz gelassen zugeben – wogegen Jüngere oft von Ablehnung berichten bzw. selber ablehnen. Jüngere meinen eben noch gerne, die Welt sei klar und eindeutig, die Charaktere und Neigungen stabil – und durch die Wahl von Mrs. oder Mr.Right werde man ganz einfach glücklich und sei dann „auf Ewigkeit“ SICHER in diesem Glück. Ich gönne jedem seine „romantische Zeit“, die Irritationen kommen irgendwann ganz von selbst. :-)

Die eigene Neigung lehnt den Switcher ab

Der Hauptgrund spontaner Ablehnung switchender Personen ist jedoch alles in allen nicht rational, auch wenn sie oft genug „wohl begründet“ wird. Man mag es nicht, kann und will es nicht glauben – ganz einfach weil man sich selbst in seiner Neigung „endlich angekommen“ fühlt. Das zunächst vielleicht abgelehnte, schließlich doch angenommene und endlich endlich lustvoll ins Leben integrierte SO-SEIN (sei es als „Sub“ oder „Dom“) erscheint dermaßen WESENTLICH, stabil und unveränderlich, als hätte man das letzte Geheimnis des eigenen Lebens gefunden.

Insbesondere Einsteiger fühlen in den ersten Jahren so. Sie wollen und können sich nicht vorstellen, dass sich an diesem Gefühl noch jemals etwas ändern könnte. Ein Switcher ist da eine lebendige Provokation, die zeigt: es geht doch beides! Und die spontane Reaktion darauf ist dann halt: Nö, niemals! Das ist auch ganz gewiss NICHT ECHT! Vermutlich nur ein „Mode-SMler“, nicht Fisch, nicht Fleisch… usw. usf.

10 Kommentare

  1. hallo clu!
    vielen dank für den artikel über s switchen – dem kann ich nur voll zustimmen
    die meisten menschen tun sich schwer mit der tatsache dass leben veränderung bedeutet und von daher ist s sehr angenehm sich auf etwas festzulegen – veränderung bzw. unsicherheit in bezug auf die entwicklung des eigenen ich s bzw. des partners scheint massive verunsicherung auszulösen – was schade ist, weil gerade das das spannende im leben ist – neues zu entdecken und in aller vielfalt zu leben.
    lg
    frau

  2. ja, und was passiert wenn beide Switcher sind und gleichzeitig zu gleicher Seite switchen wollen? *grusel*
    irgendwie sind die Switcher doch suspekt *lol*

  3. Danke für den klugen Text zu switchen. Entspricht auch meiner Erfahrung. Für mich ist das Erleben von BDSM das Zentrale, welche Seite ich einnehme untergeordnet. Seitdem ich auch die dvote auslebe, hat meine Sensibilität auch auf der dominanten Seite gesteigert.
    Beide gleichzeitig switchen: Einfache Antwort: Einer sit immer zuerst. Komplexere Antwort: Wer setzt sich durch, gibt es eine Regel die abgemacht ist, wie zeigen sich die Energien: Das sind doch gerade die spannenden Bereiche, welche Prozesse ergeben sich bei den beiden. Ebenso spannend wie in einer normalen Dom-Sub Beziehung und Sub will gerade nicht: Kann Sub es äussern, kann Dom damit umgehen, fordert es Dom trotzdem, geht Sub den Weg. Bleiben beide ganz ehrlich – das ist unabhängig von Switchen oder nicht.

    Peetz

  4. Zu switchen ist eine wunderbare Weise, sich mitzuteilen. Auch eigene Ideen, Fantasien, Wünsche dem/der Partner/in auf „spielerische Weise“ mitzuteilen. Aber auch am eigenen Leib zu erfahren, was man da auf der Top-Seite selbst „anrichtet“. (Wie Du mir, so ich Dir :-))
    Für mich ist das Switchen eine große Bereicherung, so wie es nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern noch viele, viele Farben. Und wie klänge ein Konzert aus nur 2 oder 3 Tonhöhen und 4 oder 5 Klangfarben?
    Das Leben ist vielfältig, das macht den Reiz und die Spannung aus. Ich will jedenfalls ALLES.

  5. Ich bin noch Anfängerin, Spätzünderin mit 48 und habe als erstes (vor ca. 3 Jahre) dominante Fantasien gehabt. Habe diese im Internet, im Chat „ausprobiert“.
    Aber indem ich mir zugestanden habe, mich mehr mit dem Thema zu beschäftigen, musste ich auch sehr bald feststellen, dass mindestens genau so starke Sehnsüchte in die submissive Richtung gingen. Die haben mir viel mehr Angst gemacht. Vor allem, da diese Fantasien nicht nur masochistisch, sondern auch ganz stark devot waren.
    Ich konnte mir erst überhaupt nicht vorstellen, wie das zu verbinden sein könnte.
    Habe dann über längere Zeit im Netz meine dominante Seite gelebt und mich ganz langsam auch getraut, tiefer in die andere Seite in mir reinzuschauen.
    Da gab es einige erschreckende Momente.
    Hab mich auch ganz eingehend informiert, viel gelesen, auch in Foren gefragt.
    In dieser Zeit wurde mir immer klarer: Ich kanns nicht mit derselben Person.
    Also Switchen an sich, in ein und derselben Beziehung geht überhaupt nicht.
    Dazu ist meine Devotheit zu tief drin.
    Und letztes Jahr bin ich nacheinander in einem Forum per Zufall erst auf meine sub und anschließend in ihrem besten Freund auf meinen Dom gestoßen.
    Und wir haben die ideale Form gefunden. Ich hab meine sub, für sie bin ich die Herrin. Und auf der anderen Seite bin ich sub meines Herrn. Noch sind es Fernbeziehungen, aber wir wollen immer weitergehen.
    Vielleicht noch einen männlichen sub für mich, dann ist die BDSM-Wohngemeinschaft komplett! *kicher*

  6. Ich glaube, dass die Skepsis Switchern gegenüber vor allem daher rührt, dass viele glauben, wer auch dominant sein kann, könne sich nie ganz unterwerfen, andersherum genauso. Ich finde diese Vorurteile ziemlich schade. Bei mir und meinem Parter ist es so, dass wir sehr selten switchen, weil er nur selten devot ist. Wenn er das aber ist, ist er es sehr stark. Das tut seiner Dominanz in anderen Situationen absolut keinen Abbruch, weil ich in diesen Situationen einfach so von ihm gefangen bin, dass ich gar nicht daran denke, wie er unterworfen werden kann und ich glaube nicht, dass er, wenn er mich beherrscht, daran denkt, wie ich andere toppe.
    Damit komme ich schon zum nächsten Punkt: Mono versus Poly. Ich glaube wie du, dass es in monogamen Beziehungen mit einem Switcher und einem „Vollzeitsub oder -top“ (womit nichts 24/7artiges gemeint ist) wirklich schwer ist, beide zu befriedigen. Daher bin ich mit meiner Polygamie wirklich glücklich.
    Ich habe noch meinen masochistischen Sub, außerdem bahnt sich eventuell etwas mit einem äußerst devoten Kerl an. Solange ich meine sadistische Seite ausleben kann, bin ich glücklich und fange nicht ständig an, mit ihm Machtkämpfe auszutragen.
    Denn die geschehen, wenn wir beide uns gerade oben fühlen. Wenn er dann versucht, mich herunter zu drücken, funktioniert das entweder sofort oder ich bin total beleidigt und fühle mich angegriffen. Die optimale Lösung haben wir also noch nicht gefunden, denn er lässt sich, wenn er in dominanter Stimmung ist, auf keinen Fall nach unten zwingen.
    Das beste ist wirklich, wenn ich ab und zu fies zu anderen Personen sein kann. Wie das in der Monogamie aussehen würde, mag ich mir nicht vorstellen. Wahrscheinlich würden wir uns da sehr häufig streiten..

  7. Ja ich bin ein Bdsmer und Switcher….
    Mit „echten Tops“ da kannste/willste nicht…
    Motto: Ist das alles was du kannst…oder muss ich dir erst zeigen wie :)
    Und reine Subs sind mir zu langweilig.
    Also bleibt nur Switch als Partner, alles andere zwecklos und unerwünscht…es ist so.
    Und als Antwort für Lady Jana:
    Wenn zwei Switcher zu einer Seite neigen…
    wird gegenseitig gemacht.
    Aus Erfahrung…

  8. Hallo Clu Marie
    Welch wunderbare Artikel Du geschrieben hast. Sie sind immer eine Inspiration für mich. Ich als Dom habe im Spiel auch meine devote Seite entdeckt. Für mich ist es befreiend loszulassen. Wobei ich bei mir auf der Schmerz Seite es nie soweit gehen lasse, wie ich bei meiner Sub gehen würde. Ich liebe den Schmerzreiz und auch begrenzt zu werden. Ich habe mir auch ein schönes Halsband besorgt. Es ist ein schönes Gefühl auch nach zu fühlen, wie Sub sich fühlen kann, was mich in meiner Position als Dom dann auch wieder sensibler in alle Richtungen sein lässt, was das Spiel auch wieder verschönert. Die Rolle Dom/Sub ist in unserer 24/7 Beziehung klar verteilt. Wir leben dies, es ist unsere Natur. Es ergibt sich automatisch im Spiel, dass ich mein devot sein fordere oder sie merkt, dass es jetzt gut ist ihre dominante Seite auszuleben. Was für sie auch manchmal nicht einfach ist, dass sie wirklich „Vollblut“ Sub ist. Eine interessante Erfahrung, die auch mehrfach im Spiel wechseln kann, aber nicht muss. Wir merken aber auch beide, wenn es für uns genug ist dies ausgelebt zu haben und wir wieder in unsere eigentliche Position zurückkehren in der wir uns ureigentlich wohlfühlen. Ich finde es schade wenn sich manche dies nicht eingestehen können oder auch einfach mal wertfrei damit herumexperimentieren. Mir als Dom hat dies in meiner Position bisher keinen Abbruch getan.

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