Gastbeitrag: SM und Intellekt

Dieser Beitrag erschien zuerst als Kommentar in der SZ. Ich bedanke mich bei Juan, dass er mir den Text überlassen hat. Er ist es Wert, in dieser ruhigeren Ecke mehr als ein paar Tage zugänglich zu bleiben. BDSM als Spiel mit überkommenen Rollenmustern, die wir nicht mehr „wirklich“ zurück haben wollen – gefällt mir!

Intelligenz ist nicht gleich Intellekt und Akademiker sind auch nicht unbedingt Intellektuelle.

Wie schwer sich gerade Akademiker mit dem Sex tun, zeigt Goethes „Faust“, der, um eine Näherin zu verführen, einen Pakt mit dem Teufel eingehen muß.

Ein Intellekt ist eine Gabe. Es ist Widerspruchsgeist, der sich nicht einschüchtern läßt, der sich darauf verlegt, sich zu bilden, weil er eigentlich auch Probleme hat, sich als Widerspruchsgeist selbst zu verstehen. Es geht um den Anspruch, sich selbst ein eigenes Urteil zu bilden, auch auf die Gefahr, damit ganz gehörig immer wieder nur anzuecken. Es ist eben wie mit jedem Talent, anfangs ist es einfach nur ein ziemliche Belastung.

Wenn erst einmal der Geist aus der Flasche ist, dann wird er sich nicht mehr einfach so wieder einschließen lassen. Das bedeutet, ein solcher Geist ist dann selbstverständlich überall mit von der Partie, natürlich auch in der Erotik. Ja und dann? Das macht nicht gerade spontaner, attraktiver, das macht einen nicht gerade enthemmt und auch nicht enthemmend. Das alles kommt nach außen eher so rüber, als wäre man schwer gehemmt. In gewisser Hinsicht ist das ja nicht einmal ganz falsch.

BDSM ist dann eine Möglichkeit, es als Spiel zu begreifen, daß viele dieser Hin- und Rücksichten einfach außer Funktion gesetzt sind. Es ist für mich auch eine ganz bewußt falsche Welt, denn es ist urplötzlich möglich, was ansonsten ganz gewiß nicht möglich sein würde.

Empathie mal andersrum, nicht, um ein Gegenüber zu schonen, sondern um es zu fordern. Ich genieße es, wenn dann diese Devotheit aufkommt, die mir ansonsten mehr als peinlich wäre. Ich mag es, dann zu fordern, was ich ansonsten so nie und nimmer erwarten oder einfordern würde.

Vielleicht ist SM ein solcher Pakt mit dem Teufel, beispielsweise die klassischen Geschlechterrollen wie durch Zauberhand eine Zeit lang auszusetzen und so zu tun, als wären Frauen zum Dienen, Männer dazu da, sich zu bedienen. Und das alles, als gäbe es die ganz alten Rechte des Mannes und die alten Pflichten der Frauen noch. – Für den Intellekt sind gerade solche Arrangements selbst wieder reizvoll, da kann man dann noch mal erleben und sich sagen, so war das also mal? Selbstverständlich waren das alles keine guten alten Zeiten, es ist gut, daß vieles davon einfach keinstens mehr geht.

Aber als Spiel in der Erotik? Da war es für mich schon eine unverhoffte Erkenntnis, als ich dahinter kam, daß nicht nur ich Lust darauf habe, so zu herrschen, sondern daß auch Frauen – mit Geist – Lust dabei empfinden, sich so beherrschen zu lassen. Wer hätte das gedacht – ich nicht.

©Juan

4 Kommentare

  1. Ein Pakt mit dem Teufel also? Wie reizvoll. In meinen Augen ist es so, dass gerade Frauen mit Geist …. und auch Männer natürlich …. nur dann diese Tiefe empfinden können, wenn sie sich diese auch bewusst machen. Das muss nicht immer durch große wohltönende Worte passieren. Meist passiert das ganz leise, fast unbemerkt. Und dann wird aus dem Spiel etwas ganz Besonderes: ein unendlich erotisches Miteinander, bei dem man die Fesseln der Konventionen ablegen darf. Und das wirkt schlicht befreiend – für den Körper, für die Seele, für den Geist.

    Ein toller Beitrag, danke.

    Selina B.

  2. Pakt mit dem Teufel? Mir sind da die Engel näher… Gerade da…

    Manchmal scheint mir, dass SM geradezu dazu einlädt, Phantasiewelten auszuschmücken und auch bei der sexuellen Begegnung Geschichten zu erzählen. Und wenn Sex eine Kopfsache ist, dann sind intellektuelle Talente doch wieder ganz nah, oder? Man lasse den Kopf einfach die Gefühle des Bauches und die Gier der Lenden übersetzen – und vermeide es, dass er beides ablehnt…

  3. Hallo Juan,

    vielen lieben Dank für das was du geschrieben hast. Tolle Gedanken dir mir so nahe sind. Ich kann dem so garnichts mehr hinzufügen. Klasse!

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