Wie genießbar ist unbewusste Dominanz?

Kannst du dir eine Partnerschaft mit jemandem vorstellen, der zwar dominant ist, dies aber nicht bewusst wahrnimmt? Die Frage tauchte in einem Forum auf und hat mich zu einer Antwort inspiriert, die ich hier einfach mal einstelle:

Ein Gegenüber, das seine Dominanz bzw. Submissivität exzessiv im Alltag lebt, ist nicht erotisch motiviert und hat also keine innere Distanz zu diesen Haltungen bzw. zu diesem Teil seiner selbst. Und nur diese Distanz ist es, die DS reizvoll macht: das beiderseitige Bewusstsein, dass es eben NICHT „das Normale“ ist.

Frühere (Vanilla-)Beziehungen zu „Alltagsdominanten“ waren für mich nichts als beide Seiten aufreibende, niemals entschiedene Machtkämpfe: es gab keine Sieger, aber wir beide verloren Lebensqualität, Lust und Freude. Heute muss ich zwar nicht mehr kämpfen, doch ein „unbewusst Dominanter“ wäre mir im Alltag trotzdem einfach zu nervig und anstrengend. „Dominant“ in der Alltagsbedeutung heißt ja: da ist jemand, dem es vor allem drauf an kommt, SEINS durchzusetzen – und sowas empfinde ich eher als geistig arm, sehr berechenbar und ziemlich langweilig. Das gilt auch, wenn derjenige meint, stets das Beste für Andere zu wollen.

Etwas „erotisieren“ ist für mich immer eine zweiseitige Sache. Wenn es nicht erotisch gemeint ist (und damit meine ich jetzt nicht Sex!), dann ist es nur eine ganz gewöhnliche Kampfhaltung im Kampf aller gegen alle – zum Gähnen, denn ich bin ja nicht der Feind und fühl mich auch nicht im Krieg.

DS ist gerade NICHT der ganz gewöhnliche Beziehungsmachtkampf (auch nicht in seiner „entschiedenen“ Form, z.B. als patriarchalische Ehe), sondern eine Inszenierung – und nur dadurch lustvoll zu genießen.

Oder was meint ihr?

9 Kommentare

  1. Ich meine, Du malst ein zu einfaches Bild eines ‚unbewusst dominanten‘. Bei den ‚bewusst dominanten‘ unterscheidest Du zwischen Sex und Alltag/Beziehung, auch stellst Du Dominanz als ein reines Spiel dar, dem in Alltag/Beziehung eine Nicht-Dominanz gegenübersteht.
    Ich zumindest bin in weiten Bereichen meines Lebens ein ‚moderner Mann‘ mit einem (trotzdem?) ausgeprägten Mann-Selbstbild. In der Sexualität bin ich gerade deswegen eindeutig dominant, das ist nicht nur ein Spiel, aber ich bin im Alltag zwar nicht ganz so ausgeprägt – aber immer noch ein Alpha. Du kannst auch wenn Du willst ‚Modern Macho‘ zu mir sagen. Ich stehe also meiner ausgelebten dominanten Sexualität nicht mit der von Dir gewünschten Distanz gegenüber sondern stecke mitten in ihr drin weil sie ich ist.
    Für mich ist diese von Dir als ‚unbewusste Dominanz‘ definierte meine natürliche Art während mir die von Dir beschriebene ‚Dominanz mit Abstand‘ eher wie ein kleines Theaterchen vorkommt – ein Rollenspiel eben.

    Was ich denke woher dieser Dein ‚Denkirrtum‘ kommt? Du schließt von Deiner eigenen Sub-Spiel-Selbstansicht auf ein Dom-Spiel anderer – ein subjektiver, aber dadurch auch verständlicher Irrtum.

  2. Ich meine hier den Unterschied zwischen dem „gewöhnlichen Macho“, den es immer noch gibt und der gerne Frauen (aber im Prinzip ALLE) unterdrückt und ständig nur SICH und seine Interessen durchsetzen möchte.

    Im Unterschied zum „erotisch Dominanten“, der zwar dominieren KANN, wenn er Lust drauf hat, es aber nicht zwanghaft tun MUSS – und im übrigen durchaus sensibel auch die Interessen der Mitmenschen im Blick hat. Meist ist dieser Typ zur Selbstironie im Stande – auch ein Unterscheidungsmerkmal.

    Welchen Schuh du dir anziehst, ist dir überlassen.

  3. Clu, so sehr ich Deine Gedanken sonst gerade wegen der ausgeprägten Differenziertheit schätze: Hier, finde ich, bist Du in Schwarz-Weiß-Denken verfallen. Es gibt weit mehr als zwei (Paar) Schuhe, die ein Mann sich hier anziehen könnte: Den „gewöhnlichen“ Macho, ja. Dann den ausschließlich erotisch Dominanten, wie Du ihn schilderst. Dann Promisc, wie er sich selbst schildert, für den die Dominanz weit über die erotische Inszenierung hinausgeht. Selbstironie ist da längst nicht immer ein Unterscheidungsmerkmal: So kenne ich zum Beispiel aus langjährigem Erleben einen erotisch dominanten Mann, der gleichzeitig übermäßig alltagsdominant ist, dabei fast jedes Einfühlungsbedürfnis vermissen lässt und gleichzeitig auch noch vor Selbstironie trieft. Nur dass ihn letzteres nicht zum besseren Menschen macht, weil er sein Verhalten gar nicht ändern WILL.

  4. Ja, du hast recht, es gibt nicht nur EINE Art erotische Dominanz. Und mir kam es im Grunde auch nicht DARAUF an, hier Typisierungen anzustellen – ich war ganz auf das THEMA im TITEL fixiert, das ich andernorts mitbekam. Und ich fand es echt ABSURD, darüber zu sinnieren, ob so ein „unbewusst Dominanter“ für eine/n Sub nicht ein genauso befriedigender Partner sein kann wie ein bewusst BDSM-Lebender. Genau da hört’s für mich aber echt auf – auch als BDSMlerin ist und bleibt der „gewöhnliche Macho“ für mich indiskutabel.

    Selbst alle DSler/innen, die ich kenne, sehen ihre Beziehung GERADE NICHT als Fortsetzung der gottlob überwundenen patriarchalischen Ehe, sondern als gemeinsames Ausleben einer besonderen Erotik aus freier Wahl. Und eben NICHT aus dem Bewusstsein heraus, dass einer der beiden eine minder relevante und unfähigere, also anleitungsbedürftige Person wäre, bzw. der Dominante „gottgegeben“ den höheren Status inne hätte.

    BDSM ist für mich also IMMER eine Inszenierung, egal, wie weiträumig und umfassend es gelebt wird – und ehrlich, es nervt mich total an, wenn alle Welt unter „erotisch motiviert“ immer nur an Sex denkt! Dass ich ÜBERHAUPT mit Männern was „Besonderes“ am Hut habe und ebenso jede Form von Beziehung, die aus diesem Begehren entsteht, nenne ich „den erotischen Bereich“ bzw. „erotisch motiviert“. Im Gegensatz dazu stehen soziale, politische, wirtschaftliche Beziehungen, auch Verwandschaft hat mit Erotik nix zu tun – und auch die bürgerliche Ehe ist eine Institution, die einen SOZIALEN und WIRTSCHAFTLICHEN Aspekt hat, der nicht zum Reich des Erotischen gehört.

    Wenn ich nun aber von „erotisch motivierter Dominanz bzw. Submissivität“ spreche, um das von der damit weiß Gott nicht immer einher gehenden NICHT EROTISCH MOTIVIERTEN Alltagsdominanz (oder Submissivität) abzugrenzen, will man mich immer wieder gern in der Art missverstehen, als wolle ich BDSM auf „ne Stunde rund ums Ficken“ reduzieren. Da werd ich dann halt gelegentlich auch mal pampig – sorry!

  5. Wie GUT, dass Du pampig geworden bist, denn nun hast Du es so pointiert geschrieben, dass ich zum ersten Mal verstanden habe, was Du eigentlich meinst! Ich war gar nicht darauf gekommen, dass jemand ernsthaft erwägen könnte, normales Macho-Gehabe könne in einer D/s-Beziehung die dominante Neigung ersetzen. In diesem Sinne stimme ich den ersten beiden Absätzen Deiner Antwort absolut zu.
    Aber noch etwas hat sich jetzt für mich geklärt. Ich habe nämlich Dein „erotisch motiviert“ auch immer zu eng gefasst gesehen, vielleicht liegt es an dem Ausdruck „Inszenierung“: Da stellte ich mir tatsächlich etwas Künstliches vor, was sehr sexnah „inszeniert“ wird, ein „Spiel“ eben. Und so etwas wird meiner Vorstellung von dem, was in einer BDSM-Beziehung (hoffentlich) passiert, in keiner Weise gerecht. (Und aus meiner Sicht passte dies auch gar nicht zu Deiner sonstigen Linie.) Aber wenn Du es das „Erotische“ tatsächlich so weit fasst, dann bin ich auch in diesem Punkt bei Dir.

  6. Wieso versuchen Leute, die sich mit dem Thema BDSM oder auch nur DS beschäftigen, eigentlich immer irgendetwas gegen etwas anderes abzugrenzen? Die Erfahrung zeigt doch, dass die Grenzen im Verständnis zwischen erotischer und alltäglicher D/S von Person zu Person variieren. Der/die Eine fährt auf erniedrigende Gesten u.U. schon in der Küche, am Bügelbrett oder beim Holzhacken während des Alltags ab, weil eben keine Grenze zwischen Alltag und Erotik gezogen wird. Alles ist Alltag und Erotik. Vermutlich ist diese Form der Partnerschaft seltener anzutreffen, aber … es gibt sie.
    Mich persönlich (nach all dem was ich in diesem Thread gelesen habe, bin ich wohl ein erotisch dominanter Mann :-)) stört bei Leuten die hier „Modern Macho“ genannt werden, nicht ihre zur Schau gestellte Dominanz, sondern die oft damit einhergehende Arroganz und affektiertes Auftreten, mit dem sie deutlich machen, dass sie ein (erotischer) Gegenpart eigentlich garnicht interessiert, weil sie sich für das Maß aller Dinge halten. Was wiederum nicht heißt, dass deren Partner nicht den Dominanzteil im erotischen doch genießen, ihnen der Partner im Alltag aber ganz furchtbar wegen des hohen Arroganzanteils auf den Sack geht! Aber auch hier gilt: Es gehören immer zwei dazu! Und: Jedem Tierchen sein Plaisirchen! …

  7. „Wieso versuchen Leute, die sich mit dem Thema BDSM oder auch nur DS beschäftigen, eigentlich immer irgendetwas gegen etwas anderes abzugrenzen?“
    –> seh ich genauso….die Wahrnehmung ist nihcts anderes als die Summe der Erfahrungen gepaart mit dem eigenen Selbst-und Weltbild also kann man da auf jeden Fall keine allgemeingültigen Grenzen ziehen. Aber der Artikel ist gut geschrieben und ist flüssig zu lesen. Da kann man nur den Daumen heben.

  8. Hallo Clu,
    ich hab sie jahrelang in meiner Ehe erlebt, die unbewusste Dominanz.
    Und ich habe da nichts dran geniessen können.
    Sie hat mich einfach nur reduziert und klein gehalten.
    Es war ein ständiges suggerieren von: ohne mich bist du nichts.
    Und ich habe das sehr lange ausgehalten, wohl weil ich so bin, wie ich bin.
    Trotzdem musste ich mich aus diesem Mantra erst einmal wieder befreien,
    um mich so anzunehmen wie ich bin.
    Der Unterschied zur bewussten Dominanz ist für mich, das sie subtil immer irgendwie sexuell besetzt ist und das man damit im Alltag spielen kann.
    Wenn mir heute jemand sagt das ich nichts bin, dann weiß ich, das ich im Grunde genau das bin, was er will und ich gebe mich dem hin.
    Ich fühle mich dabei nicht minderwertig, sondern angenommen.
    Und ich kann genau das ausleben, was ich bin.
    Wahrscheinlich kann ich deshalb auch unbewusster Dominanz viel lockerer gegenübertreten, weil ich den Umgang mit der bewussten Dominanz so sehr schätze.

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