Regeln für Sub binden auch Dom

Viele SM-Paare geben sich Regelwerke, etwa in Gestalt eines Vertrages, der „Rechte und Pflichten“ beider Seiten enthält oder auch in Form von Verhaltensregeln, die der dominante Partner erlässt und die Sub akzeptiert. Je nach Ausgestaltung der Beziehung gelten diese Regeln „immer“ oder nur während der Session-Zeiten. Ihr Sinn ist es, die Hierarchie zwischen Dom und Sub zu bestätigen und im Miteinander erfahrbar zu machen. Mir liegt es ferne, darüber zu befinden, ob Regeln „gut“ oder „richtig“ sind – für mich sind sie „Spielmaterial“, eine Methode unter mehreren, das DS-Verhältnis zur beiderseitigen Lust zu strukturieren. Die folgenden Überlegungen sind demnach kein Plädoyer dafür oder dagegen, sondern eine Analyse der Erfahrungen, die man mit Regelwerken machen kann.

Die helle und die dunkle Seite der Medaille

Sind die Regeln mal vereinbart, könnte ja alles wunderbar und einfach sein, denkt sich Dom, denkt sich auch Sub. Doch was zu Beginn so romantisch und „domantisch geil“ erschien, erweist sich in der Praxis gelegentlich als recht sperrig. Denn wie alles im Leben hat auch ein Regelwerk eine helle und eine dunkle Seite, die jeweils einzeln nicht zu haben sind:

Einerseits genießt Dom das Gefühl der Macht und den durch die Regeln vielleicht auch intendierten Lust- bzw. Bequemlichkeitsgewinn. Sub genießt die Unterwerfung, das Sich-Überantworten, das Dienen, das Besitz/Eigentum/Sklavin sein (oder wie auch immer es für Sub heißt) und schätzt den Halt, den Regeln in unklaren Situationen bieten. Das ist die HELLE Seite, das GENIESSEN der Neigung, das durch die Regeln unterstützt wird.

ABER: Wer als Dom Regeln erlässt, muss sie auch kennen, muss sich an sie erinnern und schuldet Achtsamkeit bezüglich der Einhaltung, wie auch Konsequenzen bei Nichteinhaltung. Und wer als Sub Regeln annimmt, schuldet die Einhaltung, die Akzeptanz der Konsequenzen bei Nichteinhaltung und muss sie natürlich auch im Kopf behalten. Das ist die DUNKLE Seite der Medaille: Regeln können lästig sein, für BEIDE Seiten!

Oft ergibt sich aus dieser Situation ein Hin- und Her springen zwischen Regelwerk und Willkür. Dom empfindet es zunehmend als Last und Zumutung, stets auf die Einhaltung der Regeln zu achten und quasi „auf Kommando“ mit Konsequenzen reagieren zu müssen, wenn Sub die Regeln übertritt. Sub ist sauer, wenn Dom den Verstoß nicht beachtet, denn was soll das ganze Bemühen, wenn es nicht einmal GESEHEN und Verstöße nicht „bestraft“ werden?? Bei anderen Gelegenheiten hat Sub vielleicht mal gar keine Lust, auf diese Regeln zu achten, es erscheint auf einmal ziemlich blödsinnig, z.B. „die Schenkel nicht zu schließen“, wenn man gerade ganz andere Dinge im Kopf hat.


Im Spiegel der dunklen Seite

Der Verstand kann sich an diesem Zwiespalt lange abarbeiten, doch gibt es keine „intelligente Lösung“ des vermeintlichen Widerspruchs. Man erkennt recht schnell, dass der Hase der „dunklen Seite“ im Pfeffer der eigenen dunklen Seiten liegt. Man erblickt – als Dom wie als Sub – ganz unverstellt die weniger schönen Aspekte der eigenen Person: wie lästig, so eine Achtsamkeit! Wer will denn dauernd „Regeln beachten“ bzw. Konsenquenzen ausdenken und durchziehen?? Der innere Schweinehund zeigt dem schönen Anspruch den Vogel: Warum nicht einfach alles über den Haufen werfen? Reicht doch, dass Doms Wille Gesetz ist, in jedem Augenblick neu – wozu also Regeln?

Als Dom/Dommé kann man sich jetzt dabei zusehen, wie man Ausreden erfindet, um die „helle Seite“ zu behalten und die dunkle nicht annehmen zu müssen: Ich bin doch kein Konsequenz-Automat! Kann Sub denn nicht einfach mal DIENEN? Statt dessen dieser ständige Aufmerksamkeitshunger, dieses Kokettieren rund um Verstöße!! Doch nichts hilft, es gibt kein Entkommen, die Betrachtung der Angelegenheit lässt nur zwei Alternativen zu: sich aufraffen und dem eigenen Regelwerk engagiert verpflichten, oder auf Regeln verzichten und Willkür wieder auf den Thron heben – mit allen Gewinnen und Verlusten, die das für Dom UND Sub bringt.

Wachstumsdruck…

Vor dieser Entscheidung kann man sich nicht drücken, ohne an Selbstachtung zu verlieren. Also wird entschieden, pro oder kontra Regeln. Im Pro-Fall wird Dom vermutlich die Anzahl der Regeln reduzieren, man hat ja gelernt, will sich nicht gleich zuviel zumuten. Dom übt jetzt verschärft Selbstdisziplin und ACHTET mehr auf die Einhaltung, ebenso wie Sub, wenn sie sich ihrerseits entschieden hat, die Regeln wieder richtig ernst zu nehmen.

Fällt die Entscheidung GEGEN Regeln, fällt man zurück in Willkür und Beliebigkeit, genießt ein wenig, was es da zu genießen gibt und beginnt bald wieder, über neue Regeln nachzudenken. Willkür bedeutet ja nicht nur Freiheit, Kreativität, grenzenlose Möglichkeiten aus dem Augenblick heraus, sondern auch Sprunghaftigkeit, Sinnlosigkeit, Zusammenhanglosigkeit und Langeweile. Wenn’s dann wieder genug nervt (oder Sub zu sehr rummäkelt), schafft Dom evtl. den nächsten Anlauf und erlässt neue Regeln, um dem Miteinander wieder mehr Struktur und Brisanz zu geben. Und „das Spiel“ beginnt erneut, bis auch die neuen Regeln wieder Verschleißerscheinungen zeigen.

Dieses Hin und her könnte man wie eine Yoga-Übung ansehen: Man geht in die Anspannung einer bestimmten Haltung hinein (= beachtet die Regeln), geht dabei bis zur Schmerzgrenze, dann lässt man wieder los (weg mit Regeln!) und genießt das gute Gefühl der Entspannung. Bis man sich zu langweilen beginnt und zu einer neuen Herausforderung bereit ist. Nun wird die Übung wiederholt – vielleicht in einer etwas anders gestalteten Variante.

Spannung alleine halten wir nicht ewig aus, Entspannung wird irgendwann öde. Anstatt mit diesen Tatsachen unzufrieden zu sein, könnten wir sie akzeptieren und beide Seiten der Medaille „Regelwerk“ nutzen: Die helle genießen wir (so gut es eben gelingt), auf der dunklen Seite lernen und WACHSEN wir, kommen in Schwierigkeiten und sind gefordert, unser ganzes Vermögen einzusetzen, um sie zu „lösen“: Geist, Gefühl und Körper. Mit zunehmender Klarheit und wachsender Fähigkeit, zu den eigenen Entscheidungen zu stehen und entsprechend zu handeln, wächst das Potenzial unserer Möglichkeiten – nicht nur auf dem Abenteuerspielplatz BDSM, sondern auch im Alltag!

Es wäre doch auch öde, wenn das ganze schöne Spiel „nur Sex“ wäre! :-)

3 Kommentare

  1. Wunderschön bemerkt! Es ist tatsächlich gerade die Möglichkeit des inneren Wachstums über eigene Probleme, dass die „dunkle Seite“ so wertvoll macht. Man entdeckt neue Kräfte und Fähigkeiten in sich.

  2. Also das ist ja alles gut und schön aber ich habe eigentlich nach Antworten gesucht statt dessen hat es nur noch mehr fragen auf geworfen ich hatte gehofft eine antwort auf die frage zu finden wie lößt man das sub verhältniss wieder auf wäre nett wenn ihr da eine antwort für mich hättet bitte an meine e mail addy danke im vorraus

    böser onkel123

  3. @böser onkel: genau wie in „normalen“ Beziehungen steht es auch Sub und Dom frei, jederzeit ihr Verhältnis zu kündigen bzw. zu beenden – wo ist das Problem?

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