BDSM als Yoga: Vom Ende der Machtlosigkeit

Yoga ist nicht nur Gymnastik, wie viele glauben, sondern eine Übungsmethode zur Erforschung der Frage „wer bin ich?“. Wer sich auf diese Praxis einlässt, lernt beobachtend den Zusammenhang zwischen Körper, Geist und Psyche kennen: Wie das Denken die Gefühle beeinflusst und umgekehrt, wie die Körperspannung und Haltung auf beides einwirkt, welchen Anteil die „Bewertungen im Kopf“ am Empfinden von Schmerzen haben, und vieles mehr.

Wer lange Yoga gemacht hat, kann gar nicht anders, als auch BDSM-Erlebnisse genau so zu betrachten: Einerseits bin ich die Person, die im Geschehen aufgeht, die agiert und reagiert, wie es die Gefühle gerade nahe legen – andrerseits bin ich immer auch die Beobachterin, die all das registriert, ohne es zu bewerten.

Das bedeutet, dass ich mich in gewisser Weise von dem, was mir z.B. als Sub zustößt, nicht vollständig „betroffen“ fühle. Ich bin – da kann ich mir nichts mehr vormachen – keinesfalls „machtlos“ in Bezug auf die Wirkungen der Handlungen meines dominanten Partners. Mir ist ja vollkommen vertraut, dass das, was ich fühle, von dem abhängt, was ich denke – ich brauche also nur zu unterlassen, auf bestimmte Weise zu denken, dann verschwindet auch das damit erzeugte Gefühl oder taucht gar nicht erst auf.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Was ich hier beschreibe, ist nicht das Unvermögen, „den Kopf abzuschalten“. Das kenne ich aus alten Zeiten gut. Man meint damit ein ständiges inneres Grübeln: Was ist das jetzt? Was halte ich davon? Was wird von mir erwartet? – usw. usf. . Wer so gedanklich verstrickt ist, wird nicht authentisch fühlen können, doch gerade das wird im Lauf der Yogapraxis komplett abgebaut. Was bleibt ist „reines Gewahrsein“ dessen, was ist: Aha, da ist Schmerz! Aha, da ist Anspannung, Wut, Traurigkeit… man sieht es und bewertet es nicht, sondern lässt es so sein, wie es eben gerade ist.

Und doch: dieses Hinschauen auf das, was ist, bleibt nicht folgenlos. In einer BDSM-Session ist das schnell zu bemerken. Denn ich WÄHLE ja den Blickwinkel, bzw. den Fokus meiner Aufmerksamkeit aus. Einerseits ist da z.B. die Ebene der menschlichen Kommunikation: Mein dominanter Partner spricht mich an, fordert und provoziert mich, verlangt, dass ich dies oder jenes tue, sage oder unterlasse. Wenn ich ganz auf diese Kommunikation konzentriert bin, dominieren die „höheren Gefühle“, ich fühle, reagiere und kommuniziere entsprechend: ärgere mich zum Beispiel, wenn er es darauf anlegt. Aber es mag auch vorkommen, dass ich darauf gar nicht einsteige, sondern mich auf die Körperempfindungen konzentriere, die seine physischen Zumutungen und Behandlungen gerade auslösen. Dann ist der Körper meine „ganze Welt“ und Dom kann sich auf den Kopf stellen und bekommt von mir keine „sinnvolle“ Reaktion mehr. MEHR Zumutung, MEHR Schmerz etc. hat dann nicht die Wirkung, mich aus dieser Versenkung zu holen, im Gegenteil. Mit großer Wahrscheinlichkeit erreicht er seine Grenzen eher als ich die meinen, denn er müsste mich vermutlich „schwer beschädigen“, bevor mich der Lebenserhaltungstrieb dazu zwingt, wieder aufzutauchen und „alles zu tun“, was er gerade verlangt.

Dass dem so ist, hab ich schon im Lauf der ersten beiden Jahre BDSM-Praxis festgestellt. Es kann ja auch nicht anders sein, denn wie sonst hätten die berühmten Märtyrer der Geschichte ihre Leiden ertragen und dem jeweiligen Quäler den Stinkefinger gezeigt? Oder man denke an die Sterbegesänge der Indianer, die sich zu Tode martern ließen und nicht allzu viele Reaktionen zeigten – zumindest wenn man Karl May glauben darf, der zur Literatur meiner Jugendzeit gehörte.

Was heißt das jetzt für das BDSM-Erleben als Sub?? Ich fühle mich da angekommen, wohin man unbewusst strebt, indem man seine Sub-Seite auslebt. Das Verlangen nach Schmerz, nach Demütigung, nach Machtlosigkeit und Ausgeliefertheit ist der Versuch, Antwort auf Fragen zu finden wie

  • Wie kann ich Schmerz ertragen, ohne zu verzweifeln?
  • Wie kann ich das Leiden transzendieren?
  • Wie kann ich Machtlosigkeit hinnehmen, ohne in Hass zu verfallen?

Dass diese Fragen so wichtig werden, dass sie ein triebhaftes Verlangen nach „Übungszenarien“ mobilisieren, erklärt sich aus der individuellen Lebensgeschichte eines Menschen mit solcher „Neigung“. Was mich angeht, ist mir ihr Herkommen klar: als Kind wurde ich heftig gedemütigt und gelegentlich geschlagen. Ich war dem schutzlos ausgeliefert, sowohl meinem Vater als auch einer „Kinderbande“ gegenüber, in deren Hackordnung ich als „Zugezogene“ und Jüngste den letzten Platz einnahm. Und ich bin tatsächlich verzweifelt, konnte dem nichts aus eigener Kraft entgegen setzen, was mich vor den üblen Gefühlen (Wut, Angst, Hass, Verachtung), die so in mir ausgelöst wurden, hätte retten können.

Und heute?? Schon im Yoga erkannte ich die Macht, die ich selbst über meine Gefühle habe und die mir niemand nehmen kann. In den später dazu kommenden BDSM-Erfahrungen bestätigte sich das: Niemand kann mich mehr demütigen, wenn ich nicht selbst entscheide, das Gefühl der Demütigung spüren zu wollen. Da ich als Erwachsene mit 50plus über ein gesundes Selbstbewusstsein verfüge, gibt es gar keinen inneren „Widerhaken“ mehr, keine Andock-Stelle, an der jemand VON AUSSEN ansetzen könnte. Ich bin mit mir selbst befreundet und finde mich voll ok – meine paar Ecken und Kanten sind kein Grund, groß an mir herum zu kritteln. Da geht also nichts mehr von wegen: Du bist NICHT ok!

So musste ich also feststellen, dass so manches, was mich früher in der Fantasie kickte, in der Realität keine dem entsprechenden Gefühle mehr erregt. Ein gutes Beispiel ist die „Tellerchen-Nummer“, die ja quasi Bestandteil des „DS-Standardprogramms“ ist: Dom lässt Sub irgend etwas vom Boden oder einem Tellerchen essen, was als „schwere Demütigung“ mit Selbstüberwindung angesehen wird. Als mein Liebster das (endlich mal!) ausprobierte, empfand ich nichts als reine Belustigung! Bye bye Kopfkino….

Was mich wundert ist die Tatsache, dass in den vielen Foren nie über solche Veränderungen des Erlebens gesprochen wird. Die meisten scheinen ein recht statisches Verständnis von sich selbst zu haben, so in der Art: Ich muss mich ein für alle Mal finden, dann weiß ich, wer ich bin – und werde dann für den Rest des Lebens z.B. die immer selben Freuden und Leiden einer Sub genießen!

Dass es so nicht ganz stimmt, zeigt sich in der Realität durch häufigen Partnerwechsel, durch Einbeziehung Dritter, durch „Spielen in der Öffentlichkeit“ und andere Methoden, den Kick zu retten, der durch die Praxis natürlicherweise schwächer wird und auch mal ganz verschwindet.

Schließlich finden die oben genannten Fragen im bewussten Erleben ihre ANTWORT – was soll’s dann noch, immer weiter zu fragen?

6 Kommentare

  1. Danke Clu Maria, du beschreibst wunderbar das Zusammenspiel von BDSM- und Yoga Erfahrung…
    Seit Jahren mache ich Yoga und erst vor kurzem wurde meine BDSM bzw masochistische Seite von der Fantasie in die Realität katapultiert.
    Die Yoga Praxis hat Gefühle und Energien freigesetzt. Diese masochistische Seite, die ich gerade entdecke und lieben lerne, ist für mich noch ein Weg – wie beim Yoga – durch los lassen und (angeblicher) Machtlosigkeit, die wahre Stärke des inneren Wesens zu erleben.

    Danke für deinen Blog!
    nagakanya

  2. Wie schaff ich’s diesen Mensch zu lieben,
    Der mich durch jede noch so kleine meiner dunklen Engen treibt?
    Wohin sollt geh’n nur ich, als mich noch alle andern wiegen
    In Zuversicht, ich würd schon nicht von Wut und Hass nur einverleibt?

    In des Schmerzes Schoß wurd ich einst groß,
    Und lernt dort selbst das Lieben zu bezwingen!
    Heute lass ich meine Fragen los,
    Und hoff auf besseres Gelingen?

    Dabei weisen mir die alten Fragen,
    Schon an manchen neuen Tagen,
    Wohin es geht im Leben, immerzu.
    Das will ich leis Gedicht ich sagen dir, Maria Clu!

    Drum verspott das Fragen nicht,
    Sonst bös dir ist ein leis Gedicht!

    ——————————————–

    Im übrigen ein wunderbarer Blogeintrag ihrerseits Frau Clu!!

    Viele Grüße
    Omnaest

  3. Ich bin Najilia,und komme hier über Umwege aufgrund eines Berichtes in der SZ von DomEros Geistiges Ficken her.
    Ich bin diese Tantrafrau,wie er mich da nennt..
    Weil ich fühle, hier wird stellenweise wirkliches Wissenwollen ausgestrahlt, wage ich es einfach mal ,meine Erfahruungen zu erzählen.
    Soll sich jeder draus nehmen was er mag,oder auch nicht,und natürlich kann mein Geschreibe auch verteufelt werden,oder lächerlich angesehn werden,das übliche queer beet halt,wie immer… JEDEM VIEL SPASS DENN JEDER HAT RECHT.

    Ich bin recht tief in meiner spiritiuellen Kraft,und diese Tatsache bekommen auch alle mit,indem sie eben meine Energien spüren.
    Die einen können nicht weit genug rennen,wenn ich komm lol,die andern würden sich am liebsten noch auf meinen Schoß setzen.
    Hat einfach damit zutun ,für die einen ist diese Energie frequenz so hoch,das ist unangenehm bis hin zu Schmerzempfinden. Die anderen sind von den eigenen Energien schon besser angepasst,und wollen mehr,mehr mehr….
    Dementsprechend ist das auch beim Sex,usw… in der Regel bin ich das ultimative Ereigniss für einen Mann….lol mach auch nix anders als Ihr alle.. es sind eben diese hohen Energien.. es ist meine Gabe diese weitergeben zu können…..
    Damit komm ich in der Regel auch sehr schnell bei einem DomMann an seine innersten Tiefen,von denen jeder behauptet,er wolle dies nie ausleben,er habe sich unter Kontrolle…

    Fragte mich lange warum ich das bei JEDEM auslöse,an die dunkelsten Winkel hinzuscheinen… bald war mir klar ,es ist auf der spirituellen Ebene mein Weg aufzulösen ,also Blockaden,,und eben alles was dazu bereit ist.

    Ursprünglich haben wir alle mal etwas in die Welt gesetzt, und gelebt ( in anderen Inkarnationen) ,jeder war mal Opfer mal Täter, und eben auch Sadisten…..
    Momentan leben wir in einer besonderen Zeit,alles will zurück ins Licht.. sich wieder in den Ursprung begeben. Es kann nur der jenige ,der etwas in die Welt gesetzt hat,es auch wieder in Licht umwandeln. Nun in dieser Zeit ist großreinemachen in unseren Tiefen…..

    BDSM ist harter Toback….da geht man erst zum Schluss ran,dazu braucht man eine gewisse Reife der Seele,um nicht in eine Wertung zu fallen,wenn diese Geschichten nochmal hochkommen….
    ICH HABE DIE GABE DÍES ALLES ZU ERKENNEN UND AUFZULÖSEN.

    Das habe ich irgendwann begriffen,und tu es,einfach. Die dunklen Seiten auf unserer Seele umwandeln.

    Viele denken sich ,ja darf ich dann meine Neigung nicht mehr leben?
    Klar doch,denn in diesen Leben ist es eine Neigung,und zwei freiwillige Menschen entschließen sich ,etwas miteinander zu erleben.

    Was ich raushole,ist der Mißbrauch damit ,aus anderen Leben.
    Natürlich auch meine Tiefen,au weia was ich mir da teilweise eingestehn muß…
    Das ist eine Art des Endes der Machtlosigkeit.

  4. Pingback: Schadet Nachdenken der Lust am Spielen? » Clus BDSM-Blog vom Yoga der dunklen Erotik

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