Zur Halbwertszeit von SM-Beziehungen

KussSind SM-Beziehungen weniger stabil als „normale“? Es scheint so: die ewige Suche nach der Umsetzung der je eigenen Fantasien (Kopfkino) treibt viele in den schnellen Partnerwechsel. Das Netz scheint es möglich zu machen, schon mit dem nächsten Mausklick die Partnerin/den Partner zu finden, der endlich alle Wünsche und Träume wahr macht. Bis sich auch mit dem neuen Gegenüber heraus stellt, dass „es doch nicht so passt“. Geduld, langsamens Kennen-lernen, um eine Beziehung kämpfen scheint für viele nicht attraktiv – warum ist das so?

Als Hauptgrund (der auch immer wieder genannt wird, wenn das Thema irgendwo besprochen wird) gilt, dass viele bei der Partnerwahl fast ausschließlich ein Pendant für ihre „Neigung“ suchen: der Mensch, die Persönlichkeit, das sonstige „zueinander-passen“ tritt in den Hintergrund, bzw. wird als Kriterium vernachlässigt. Man will endlich „das Richtige“ erleben, mit wem ist zweitrangig, Hauptsache „Äktschn“!

Ich finde es verständlich und legitim, dass Menschen Partner suchen, die ihre Neigungen teilen. Wer allerdings glaubt, das reiche schon aus, sitzt einem Irrtum auf, der zwangsläufig zum Bäumchen-wechsle-dich-Spiel führt.

Erfüllung kommt von innen

Ein selten erwähnter Aspekt, der zu exzessiver Suche nach dem „Optimalen“ führt, ist aus meiner Sicht die Tatsache, dass Menschen Glück und Erfüllung und alles Gute zunehmend von AUSSEN erwarten: der Partner soll „der Richtige“ sein, dann bin ich aller Sorgen ledig.

Das ist reine Romantik, Utopie. Schon deshalb, weil ich mich ja fortwährend weiter entwickle: braucht es dann nicht dauernd einen neuen „richtigen“ Partner?

Was aus meiner Sicht vielen fehlt, ist die Introspektion, die Selbsterforschung – und darauf aufbauend auch ein „mit sich experimentieren“ und lernen – bis hin zum „sich selbst beherrschen“. Nicht im Sinne von Unterdrückung, sondern um Freiheit zu gewinnen.

Als schlichtes Beispiel mögen „die lästigen Alltagsgedanken“ dienen, die oft als Grund für das Verblassen so mancher Faszination der ersten Tage erwähnt werden. In der ersten Zeit ist die Neuheit der Partner füreinander, das Erleben der BDSM-Dimension des Erotischen ein so großer Reiz, dass die KONZENTRATION auf das Gegenüber, auf das Miteinander leicht ist und „wie von selber“ geht. Das lässt aber mit tödlicher Sicherheit nach, wenn etwas eben nicht mehr „neu“ ist. Folgt daraus, lebenslänglich „der Nächste bitte!“, um überhaupt noch zu den Gefühlen zu kommen, nach denen gestrebt wird? Wäre es nicht viel BESSER, zu lernen, wie man den Kopf frei macht, wie man die Gedanken zur Ruhe kommen lässt und die Aufmerksamkeit dann frei auf das Gewünschte lenken kann?

Das geht, dafür gibt es gar nicht wenige Übungstraditionen westlicher und östlicher Art. Macht zwar Arbeit, kostet Zeit und Engagement, aber was man gewinnt, ist nicht nur für erotische Beziehungen gut, sondern auch für andere Ebenen ungeheuer nützlich.

Der Seele auf die Schliche kommen

Ebenso förderlich ist es, die Kick-Punkte ambivalenter Lust, wie sie für BDSM typisch sind, introspektiv zu erforschen, der eigenen Seele also auf die Schliche zu kommen. (Damit meine ich kein äußerlich wissenschaftliches Forschen in Büchern und Schriften, sondern Selbstbeobachtung) Denn oft handelt es sich dabei ja um Sehnsüchte und Strebungen, die in verschiedener Weise „das Unmögliche wollen“, bzw. es werden Dinge ersehnt, die man „eigentlich“ nicht will, gegen die man im Alltag sogar antreten würde. Man hat die Erwartung, der richtige Partner (und das „richtige“ Verhalten als Dom und Sub) würde automatisch ans Ziel der Wünsche führen – dem ist aber in der Regel nicht so.

In der ersten Zeit mag es so scheinen, da der Andere noch nicht so vertraut ist und als „Darsteller“ fürs eigene Kopfkino optimal funktioniert. Mit zunehmender Bekanntheit und Konkretisierung der anderen Person (=ganz normaler Mensch mit Ecken und Kanten…) verblasst diese „Illusion des Neigungsparadieses“. Daran ist aber nicht der Partner „schuld“, sondern es ist das Wesen des ambivalenten, BDSMigen Verlangens und Strebens, dass es dafür keine endgültige Erfüllung gibt – es ist ja nur TEIL unseres Seins, nicht das Ganze, es hat seine Gründe und sein Herkommen, sowie seine FUNKTION in Bezug auf das GANZE, das wir sind. Und es entwickelt sich weiter, bleibt nicht immer gleich.

Wer diesen Dingen ganz persönlich auf den (ureigenen!) Grund geht, weiß um die „Unmöglichkeit“ einer letztlichen Erfüllung – und ist also im Stande, Beziehungen zu haben, die den jeweiligen Neigungskosmos nicht negieren, aber relativieren. Man erwartet dann nicht mehr, dass die Erfüllung vom Partner auf dem Tablett serviert wird, sondern tauscht sich über den Stand des je eigenen Sehnens und Erkennens aus; man kultiviert das Genießen in einem fortlaufenden Prozess des Miteinander-Experimentierens als eine gemeinsame Abenteuerreise ins Herz des Wesentlichen.

Wer das mal mit einem Partner über eine Zeit erlebt, lässt diesen Partner nicht mehr so leicht los!

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