Vom Verschwinden eines Kicks

Die beeindruckende Story von Trotziger Stolz über das Ringen einer Sub mit sich selbst, über den Zwiespalt zwischen nachgeben bzw. sich unterwerfen und Widerstand um jeden Preis, zeigt in aller Schärfe den Dreh- und Angelpunkt der submissiven Neigung, wie ich sie selbst lange Zeit spürte. Sub sucht diese Herausforderungen, Top fordert das „Nachgeben“ mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, und dann werden die Dinge „an die Grenze gespielt“, an der Sub es (vielleicht…) endlich schafft, den Widerstand aufzugeben.

Dieses Spannungsfeld ergibt Sessions im „kontroversen Stil“, die bei Sub zu kathartischen Erlebnissen führen können, zu Glücksmomenten und großer Entspannung „danach“, verbunden mit dem Gefühl der Nähe: Nähe zum Partner, vor allem aber zu sich selbst.

Viele Subs glauben aufgrund dieses Erlebens lange Zeit, dass diese inneren Kämpfe daher rühren, dass sie eben „noch nicht so weit seien“, als gehe es darum, bei der eigenen „wahren Natur“ anzukommen, die sich im vollendeten, widerstandsfreien Zustand als „Devotion“ zeige. Ich kann natürlich nur aus meiner Erfahrung sprechen, doch hat diese mir über die Jahre gezeigt, dass das ein Irrtum ist – jedenfalls dann, wenn man das Aufgeben des Widerstands und das Eintauchen in die weichen Gefühle für das „Ankommen beim Eigentlichen“ hält.

Denn genau das ist nur ein Teil des eigenen Wesens, nicht etwa das Ganze. Allerdings ein verdrängter, bekämpfter, vermiedener Teil, den Sub partout nicht leben, nicht spüren, nicht sehen wollte. Niemals nachgeben, keine Schwäche zeigen, trotzig widerstehen, sich immer cool und unverletzlich geben – das ist eine Haltung, die irgendwann in der je persönlichen Geschichte so wichtig war, dass sie sich verselbständigt hat. So sehr, dass Sub die weichen Potenziale der Psyche unzugänglich wurden und diese quasi „Tricks benutzen“ mussten, um noch irgendwie ins Leben zu treten. Etwa den „Trick“, sich ans erotische Verlangen zu heften und nun – akzeptiert als „perverse Neigung“ – Situationen zu kreieren, in denen mühsam wieder erlernt wird, was schmerzlich fehlt: nicht immer siegen müssen, sondern auch nachgeben können. Sich schwach fühlen dürfen, weinen können, spontan und launisch sein, die kindlichen Seiten des Gemüts ausleben, freudige Hingabe an eine „höhere Macht“ fühlen, lieben jenseits des „Geschäfts“ genau berechnenden Gebens und Nehmens – was für ein Glück, all das wieder zu gewinnen!

Und dann? Je häufiger es erlebt wird, desto leichter wird das „nachgeben“, desto geringer fällt der Widerstand aus und immer öfter tritt er gar nicht mehr auf. Gleichzeitig tritt die weiche Seite mit all ihren Gefühlen und Äußerungsformen auch wieder ins Alltagsbewusstsein, wird zum akzeptierten, ja geschätzten Teil des Ganzen, das wir sind. Man hört auf, eine coole Kampfmaschine zu sein und hat kein grundsätzliches Problem mehr damit, sich verletzlich zu zeigen. Auf einmal ist die Bandbreite möglichen Erlebens und Reagierens viel größer als zuvor, das Leben ist freudiger, wärmer, spontaner – wie schön!

Das Werkzeug loslassen

Doch wie immer hat alles seine zwei Seiten: Die Notwendigkeit für den „psychischen Trick“, der den Kern der „submissiven Neigung“ ausmachte, ist durch diese Entwicklung entfallen. Das ambivalent besetzte und deshalb so faszinierende Verlangen, in grenzwertigen Situationen „zur Unterwerfung gezwungen“ zu werden, entschwindet, denn das Motiv zum Widerstand ist weg. Dem so ernüchterten Blick zeigen sich die diversen Unterwerfungsrituale und Methoden wieder fast so grotesk und bizarr, wie sie jemandem vorkommen mögen, der niemals das Verlangen danach spürte.

Wer nun allzu fest in seiner SM-Identität als „Sub“ verwurzelt ist, bekommt eventuell ein Problem: Was ist los? Wo ist der Kick hin? Warum spüre ich den geilen „Sub-Space“ immer weniger? Ist vielleicht der Partner der Falsche? Traut der sich zu wenig, um mich noch richtig fordern zu können?

Ohne den Gewinn an Ganzheit und Authentizität im normalen Leben zu realisieren, treten viele jetzt den Weg ins Höher-schneller-weiter an: andere Partner, heftigere Herausforderungen, extremere Quälereien – schließlich unterliegen wir alle dem Lebenserhaltungstrieb, der an irgend einem Punkt gefühlter Gefahr wieder den vertrauten und gesuchten Widerstand produziert.

Dabei wäre es auch möglich, die neu erworbenen Fähigkeiten anzuwenden und loszulassen: nämlich die „todernste“ SM-Identität als „Sub“, die ganz bestimmte Szenarien und Formen des „bespielt-werdens“ braucht. Schließlich hat man sich doch nicht aus den Konventionen der „StiNo-Welt“ befreit, um neuen Konventionen ebenso starrer Art bis ans Ende seiner Tage zu dienen! Und: wer will denn am Hammer festhalten, wenn der Nagel längst eingeschlagen ist?

Mittlerweile bin ich „bekennende Spielerin“ geworden und genieße BDSM nach wie vor auf vielfältige Weise. Sogar der „kontroverse Stil“ geht manchmal noch, allerdings nicht mehr in dieser „alles-oder-nichts-Manier“, wie ich es früher erlebte: bereit, mich lieber selbst zu zerstören als nachzugeben, und nur in totaler physischer und psychischer Erschöpfung zum Aufgeben in der Lage.

Was ich nicht ersehne, kann mir auch nicht fehlen. Das Leben ist oft einfacher als gedacht!

6 Kommentare

  1. >>> lieben jenseits des “Geschäfts” genau berechnenden Gebens und Nehmens<<<

    Das ist für mich der Schlüsselsatz in deinem Text, weil es für mich der Grundgedanke im BDSM ist.
    Deshalb kann ich mich auch mit dem Begriff „spielen“ nicht anfreunden.
    Ich bin sub, und innerhalb einer Beziehung bin ich 24/7 sub.
    Das ist einfach ein Teil meines Seins und BDSM bietet mir die Möglichkeit das auch explizit so auszuleben wie ich es fühle.
    Vielleicht bedarf es deshalb auch keines höher, schneller, weiter, weil ich kein Werkzeug brauche um dorthin zu kommen.
    Im Gegenteil, wenn es mir mal nicht gelingt dabei in mir selbst zu ruhen, dann bin ich unzufrieden, aber nur mit mir, weil ich gerade nicht sein kann, was ich eigentlich bin.
    Dann kommt es doch zu innerlichen Kämpfen und zu den seltenen Gelegenheiten bei denen ich etwas fordere, wohl eher herausfordere.
    Dann brauche ich Hilfe mich dort wiederzufinden wo ich wieder bei mir bin.

    Aber diese Art der Kämpfe genieße ich, wohl auch, weil ich um das wohlige Gefühl danach weiß.
    Sicherheit, in mir und mit dem Gegenüber.
    Nur gehen solche Kämpfe nicht im Spiel.
    Erniedrigung ist ein intensives Gefühl für mich, das brauche ich in solchen Momenten pur.
    Denn das ist es ja was ich will, wieder nieder sein.
    Kontroverses Erleben, aber mit einem Ziel vor Augen,
    nur ein Kampf, keine Zerstörung, eher das Gegenteil…

  2. Es wäre mir lieb, du würdest den Beitrag „Vom Spielen“ lesen und vor diesem Hintergrund nochmal was sagen. Ich kann nämlich mit der Gleichsetzung von „Spiel = unechtes Theater“, die bei dir da implizit mitschwingt, nichts anfangen. Mehr dazu in jenem Artikel.

    Ich war nie „nur Sub“, kann mir das auch gar nicht vorstellen. Bin ja doch auch Geliebte, Partnerin, Ratgeberin, Hobby-Teilende, Diskussionsgegenüber, Mitphilosophierende, Sauna-Gesellschaft und vieles mehr. In manchen Bereichen bin ich ihm voraus, in anderen ist er mir über. Wie sollte ich bei alledem jemals „immer Sub“ sein? WAS sollte das konkret bedeuten???

    Das soll jetzt beileibe keine Kritik sein, ich halte so ein Denken halt für eine Art beziehungsphilosophisches Kopfkino, will das aber niemanden, der es mag, ausreden!

  3. Liebe Clu,

    so ist das mit den Begrifflichkeiten.
    Eigentlich könnten und sollten sie unser Leben erleichtern, aber da wo sie uns Interpretationsspielraum lassen, da wirds dann manchmal haarig.
    Man denkt aus Missverständnis heraus aneinander vorbei.
    Vielleicht tue ich mich deshalb damit auch recht schwer.

    Mir geht es bei dem Begriff „Spiel“ lediglich um die Gefühle, und zwar ganz explizit um meine Gefühle dabei.
    Das zu erklären fällt irgendwie schwer…
    Zum Eintauchen genügt ein Blick, eine leichte Veränderung der Stimmlage, eine knapp bemessene Geste und ich bin drin, in was auch immer.
    Im Gegensatz dazu braucht das Auftauchen um vieles länger.
    Wie man das ganze nennen mag, ob nun Spiel, Session etc., ist mir dabei völlig gleichgültig und ich werte damit niemanden ab, der es für sich so bennen mag.

    Ein Unterschied besteht für mich allerdings zwischen „immer“ und „nur“ sub sein.
    Mein -immer- beinhaltet all das, was du oben aufgezählt hast (Geliebte, Partnerin…), ganz selbstverständlich. Ich kann auch, da wo es gefordert ist, die Stärkere sein und trotzdem bin ich dabei sub.
    Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich mich bei all dem ganz entspannt sehe und nicht mit mir um irgendwelche Begrifflichkeiten ringe dabei.
    Bestimmte Dinge setze ich einfach als gegeben voraus und das wichtigste dabei ist mir als Ganzes wahrgenommen zu werden.
    Und ganz nebenbei lebt sich das alles auch noch 24/7.
    Ganz unabhängig von Zeit und Entfernung.
    Aber ist nicht jede ernsthafte Beziehung irgendwie 24/7?
    Nur, wir angestrengten BDSM-Anhänger haben da jetzt etwas ganz besonderes für uns zusammengedacht?
    Die einen interpretieren da etwas ganz besonderes, voll umfängliches für sich hinein und die Gegenseite verteufelt es.
    Für mich bedeutet das lediglich jederzeit in etwas eintauchen zu können, das mir gut tut, das mein Leben bereichert und mich ganz sein läßt.
    Keine große Philosophie und kein Kopfkino dahinter, einfach leben…

    Ich glaube, so unähnlich sind unsere Denkweisen dabei gar nicht.

  4. liebe Clu,

    ja, leider wird das von dir Beschriebene irgendwie immer gerne unter den Tisch gekehrt. Ich wundere mich (und andererseits auch wieder nicht), dass in „Fachkreisen“ das Buch „aus Leiden Freuden“ von Theodor Reik so wenig Beachtung geschenkt wird. Dort werden m.E. nach einer grundsätzlichen Analyse des Phänomens „Masochismus/Sadismus ähnliche Schritte beschrieben, wie du sie in deinem Beitrag beschreibst.

    Aber vielleicht will genau DAS ja auch die „Mehrheit“ nicht hören/lesen? Yoga +lacht+ hat ja auch was mit loslassen zu tun – und das fällt eben auch in diesem Bereich schwer.

    Dazu ein Zitat von o.g. Theodor Reik: „Die Erziehung zur Realität wäre ein höchst wünschenswertes Endziel, doch das
    herausstechende Merkmal der Realität ist ihre Unerfreulichkeit.“

    Diese „Unerfreulichkeit“ wollen die meisten „Masochisten“ denn doch nicht, sage ich mal ganz „ketzerisch“ +lacht+

    lg
    CO

  5. @Captain Orange: Ich publiziere das und rede auch anderswo drüber, gerade weil ich da eine seltsame Lücke spüre, die der Realität gewiss nicht entspricht. Es gibt jede Menge Material und Berichte darüber,wie jemand seine Neigung entdeckt und sich ins „Ausleben“ reinfindet, aber nahezu nichts darüber, was und wie das abgeht, wenn sich die Dinge wieder normalisieren. Was aber durchaus stattfindet, wie ich aus Privatdialogen weiß.

    Lesen, DASS es das gibt, dass es sogar als „ganz normaler und in sich stimmiger Verlauf“ gesehen werden kann, hilft dann vielleicht beim „Loslassen“ bzw. beim Bewerten dessen, was abgeht.

    UNERFREULICH ist eine solche Entwicklung per se nicht, unerfreulich wird es nur, wo man an etwas festhält, was sich überlebt hat: dem Partner zuliebe oder weil man ein „in Beton gegossenes“ Selbstverständnis pflegt.

  6. @Trotziger Stolz: danke für deine umfangreiche Einlassung!! du schreibst

    „Ein Unterschied besteht für mich allerdings zwischen “immer” und “nur” sub sein.
    Mein -immer- beinhaltet all das, was du oben aufgezählt hast (Geliebte, Partnerin…), ganz selbstverständlich. Ich kann auch, da wo es gefordert ist, die Stärkere sein und trotzdem bin ich dabei sub.“

    Das macht für mich überdeutlich, dass es hier nur noch um Worte geht, denen wir jeweils andere Bedeutung unterlegen. Für mich ist z.B. niemand dominant, der krank im Bett liegt und fiebert – da kann er am letzten Wochenende mich noch so dominant behandelt und beglückt haben: JETZT ist er eher ein Pflegefall und ich bin die Stärkere, die ansagt, wann der nächste kalte Lappen auf die Stirn kommt (und der Kranke ist dankbar, denkt nicht im Traum ans Dominieren…:-)

    Und wenn ich mit ihm den nächsten Urlaub bespreche, sind wir ohne wenn und aber auf gleicher Augenhöhe: nie im Leben würde er dran denken, mich in einen Urlaub „rein zu dominieren“, den ich nicht selber wünsche.

    Die Phrase „ich bin seine Sub“ bedeutet also als Aussage betreffs der ganzen Beziehung also allenfalls den HINWEIS, dass ich in unserem erotischen Bereich in der Regel auf der Sub-Seite bin.

    „Zum Eintauchen genügt ein Blick, eine leichte Veränderung der Stimmlage, eine knapp bemessene Geste und ich bin drin, in was auch immer.“

    Das kenne ich, doch hat es mich nicht dazu angeregt, ein alles überwölbendes D/s-Selbstverständnis zu entwickeln (bzw. nur früher mal, zu Beginn meiner Erfahrung, so ca. 1 Jahr lang -in einer FERN-Beziehung!). Ich erlebe das als „Einstieg“ bzw. flirtenden Verweis auf die BDSM-Dimension der Beziehung, übertrage es aber nicht auf andere Bereiche.

    Das Thema „24/7“ halte ich sowieso für eine der verwirrendsten und kontraproduktivsten kommunikativen Metaphern der Szene. Jede echte Beziehung ist 24/7 – und alles, was das sonst noch bedeuten könnte/sollte, ist strittig und äußerst individuell.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.