Vom Spiel mit der Scham

Schamspiele sind im Rahmen von BDSM-Szenarien beliebte Praxis: Sub soll etwas tut, das ihr die Schamröte ins Gesicht treibt. Was das im einzelnen ist, ist von Person zu Person verschieden, doch gibt es ja recht allgemein verbreitete gesellschaftliche „Tabus“, die sich nutzen lassen. Spiele mit Entblößung, mit Sich-präsentieren-müssen, Dirty-Talk, ungewohnte geile Handlungen, die eine „anständiger Mensch“ gar nicht kennen darf, und vieles mehr.

Für mich geht es auf Sub-Seite bei Schamspielen vor allem um einen einzigen Punkt: eine innere Haltung finden, die das „automatische Schämen“ (dem man zunächst mal erziehungsbedingt ausgeliefert ist) aushebelt und Subs Willen unterstellt. Also: Sich beherrschen lernen – im Rahmen eines gewissen erotischen Wettkampfs, in dem Sub siegt, sobald sie über Doms Zumutung nur noch müde lächelt.

Lustverlust?

Schafft es Sub, immer mehr einschlägige Situationen souverän zu bestehen, stellt sich die Frage, was denn aus der „Lust am Schamspiel“ wird. Und JA, aus dem Blickwinkel der Neigung betrachtet, ist der Kick bald raus, sobald Sub nicht mehr wirklich zu irritieren ist. So manches Paar nutzt dann die Öffentlichkeit, um das Spiel auf Level 2 unter verschärften Bedingungen fortzusetzen, doch auch da ist es möglich, sich als Sub darüber klar zu werden, dass man erfolgreiche Unterhalterin des Publikums und nicht etwa beschämtes Opfer dominanter Zumutungen ist („Vergiss nicht, mit dem Hut rumzugehen!“).

Wie auch bei anderen verschwindenden Kicks ist das fürs SM-Erleben zwar eher abträglich, doch verschwindet mit der Brisanz auch das Sehnen nach solchen Spektakeln. Dem „Verlust“ steht ein Gewinn an Selbstbewusstsein gegenüber, der fürs reale Leben weit mehr einbringt als er im SM an möglicher Lust kostet.

Ein solcher Verlauf passt zu meiner These: Die Neigung in ihren jeweiligen Ausprägungen und spezifischen Sehnsüchten IST ein unbewusstes Streben nach Vollständigkeit, nach Unabhängigkeit von äußerer Bestätigung, nach Ganzheit und innerem Frieden.

2 Kommentare

  1. Hallo Clu,

    „die Neigung ist ein unbewusstes Streben nach Vollständigkeit, Unabhängigkeit von äußerer Bestätigung, Ganzheit und innerem Frieden.“

    Egal was Freud dazu sagen würde: das ist pragmatisch und entspricht exakt meiner Einschätzung!

    Damit eine „Neigung“ enstehen kann, müssen im Umkehrschluss folgende Voraussetzungen vorhanden sein:

    – vorhandene kritische Selbstreflektion (ab IQ 120)
    – Bestätigungsmangel
    – gestörter innerer Frieden (bis zur Psychose)

    Bei Frauen mag das stimmen: Männer kommen auch ohne diese Voraussetzungen zu einer Neigung (genetisch bedingte Triebpsychose)

    Lebt Frau eine Neigung aus, so sollte Sie über eine dieser Problemvoraussetzungen hinweg sein. Folge: die Neigung verschwindet oder verändert sich.

    Das würde bedeuten, dass SM bei Frauen nur so lange bestehen kann, bis die Neigungen ausgelebt worden sind.

    Es sei denn durch das Ausleben enstehen neue „Unwuchten“ – die wiederum ausgelebt werden müssen. ????

    Drehen sich Gedanken im Kreis ? Gibt es Menschen die niemals ankommen und ewig weiterdrehen ? Warum bleiben andere still stehen ?

    Dazu fällt mir nur Douglas Adams ein:
    Die Antwort Zweiundvierzig ist das bekannteste und populärste Zitat aus der Romanreihe „Per Anhalter durch die Galaxis“. „42“ ist in dieser Buchreihe die Antwort auf die vom Autor bewusst unklar gelassene Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“. Sie bringt zum Ausdruck, dass mit einer Antwort nichts anzufangen ist, wenn die entsprechende Frage nicht präzise gestellt war.

    Alles klar ?

    Jerome

  2. Deinen Umkehrschluss kann ich nicht recht nachvollziehen! „Kritische Selbstreflexion“ ist aus meiner Sicht KEINE Voraussetzung für „Neigung“, die eben „einfach da“ ist und DADURCH erstmal irritiert, bzw. (bei manchen) zur Selbstreflexion einlädt.

    Neben den „Altlasten“, die zu den Wurzeln der Neigung gehören, bringt auch der Alltag und die aktuellen Erfahrungen immer wieder „Unwuchten“. Und jemand, der „gelernt“ hat, sich im BDSM auszuleben, wird in der Regel dieses weite Feld auch weiter nutzen: zur Kompensation, zu auto-therapeutischen Experimenten, zu Abenteuerzwecken, just for fun – wobei der „Fun“ an Kicks, die sich erledigt haben, tatsächlich verschwinden kann. Aber wie gesagt: es ist ja ein WEITES Feld.

    Den „Bestätigungsmangel“ verstehe ich in diesem Kontext gar nicht. Wer von äußerer Bestätigung stark abhängt, wird es ja eher schwerer haben, Dinge zuzulassen, die nicht vom Mainstream abgesegnet sind.

    STILLSTAND gibt es nicht wirklich, auch wenn Trägheit und Absicherungsbedürfnis das gerne so hätten. Den obigen Artikel schrieb ich zum Beispiel aus einer „gefühlt abgeklärten“ Sicht, die ich zum Thema „Demütigung/Schamspiele“ (im SM-Kontext) lange für „die Wahrheit“ hielt, zumindest für MEINE Wahrheit. Doch nur wenige Tage später hatte ich ein rein mentales (nicht durch neue Erlebnisse ausgelöstes) Aha-Erlebnis, das mir eine ganz neue Sicht der Dinge eröffnete.

    Ich werde darüber schreiben! :-)

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