Was begehrt das Begehren?

zaertlicher KussSex ist nicht Liebe – und Liebe ist nicht Sex. Es kann zwischen zwei Menschen Begehren sein, ohne dass sie sich lieben müssen. Das ist eine Frage der „Trigger“, der zufälligen Auslöserreize, die eben mal Funken schlagen. Ob das, was darauf folgt, zu einer Liebe führt, muss sich erst zeigen. Es hängt davon ab, wie die beiden auf anderen Ebenen zueinander passen – ob sie einander weitgehender „beantworten“ als nur im Bett.

Liebe begehrt nicht, sondern verströmt sich aus dem Überfluss. Liebe ist nicht das Gefühl der Verliebtheit, das mit einem neuen „Begehrten“ verbunden ist – das verschwindet nach der „Hoch-Zeit“, die unterschiedlich lange dauern kann.

Was das Begehren begehrt? Lacan meinte: „das Begehren begehrt das Begehren des Anderen“ – und weißt damit auf die Absurdität des Verlangens hin: man will gefallen, begehrt werden, das Sehnen in den Augen des Geliebten sehen – quasi als käme man erst dadurch richtig auf die Welt. Dabei ist man doch immer schon bei sich, hat sich jeden Tag. Im Begehren ist der Andere also eine Art „Spiegel des Narziss“ – der ja im Mythos in verliebter Schau des eigenen Anblicks versteinerte.

Wir Menschen müssen nicht versteinern, sondern können uns im erotischen Akt (sei es Vanilla-Sex oder BDSMige Performance) vereinigen, den Tanz für zwei bis zur Ekstase tanzen – und dann ist es ‚rum… bis zum nächsten mal.

Das Begehren ist nichts, was wir im Griff haben, sondern etwas, von dem wir ergriffen werden. Deshalb verehrten frühere Gesellschaften es als Gottheiten. Sich dem Begehren überlassen war ein Akt der Demut oder auch des Gottes- bzw. Göttinnendienstes – zur Feier der Fruchtbarkeit in agrarischen Zeiten auch kollektiv in Gestalt von Orgien gefeiert.

Ich glaube, das Christentum hat damit Schluss gemacht. Seither soll man genau SAGEN können, was man begehrt, wenn man begehrt – und soll es gefälligst im Griff haben!

1 Kommentar

  1. hallo, Clu!

    lange nicht gemeldet & nun gleich an allen „Fronten“ gleichzeitig. aber ich habe halt gerade kurzfristig ein paar zeitliche Freiräume, & so hat es mich mal wieder auf deine Seite verschlagen.

    ein kurzer (& auch schon älterer) Artikel, eher ein Gedanke als ein Artikel, aber deinem Satz: „Liebe begehrt nicht, sondern verströmt sich aus dem Überfluss.“ möchte ich doch ausdrücklich zustimmen. eigentlich ja eine Selbstverständlichkeit, die aber häufig vergessen wird.
    ich selbst sage ja gern (in diesem Punkt evtl. noch weitergehend als du?), dass es kaum einen Satz gibt, der von seiner ganzen Struktur her so falsch & unmöglich ist wie der Satz: „ich liebe dich!“, denn Liebe ist nun mal kein Tätigkeitswort im eigentlichen Sinne, nichts, was man „machen“ könnte. es ist nichts, was „ich“ machen könnte, & es ist auch nichts, was ich auf ein bestimmtes Objekt, eine bestimmte Person lenken könnte.
    Liebe, wenn sie wirklich Liebe ist, fließt einfach über, ist einfach Ausfluss des Seins. & ich behaupte, aus meiner Erfahrung sogar, dass Liebe, wenn es wirklich Liebe ist, allen Wesen, aller Existenz im selben Umfang gilt & nicht relativ bezogen sein kann. dann ist es Begehren, Sehnsucht, Zuneigung, Sympathie, Trieb, was auch immer…jedoch keine Liebe.

    was meiner Ansicht nach allerdings sehr wohl möglich ist, ist ein gegenseitiges Erwecken dieser Liebe im Gegenüber, ein immer wieder von einer bestimmten Person in den Zustand der Liebe Versetztwerden. leider gibt es dafür in der deutschen Sprache keinen wirklich bekannten, verbreiteten Ausdruck.

    & auch der Satz “das Begehren begehrt das Begehren des Anderen” hat mich sehr überzeugt & einen dbzgl. Denkprozess in mir in Gang gesetzt. also danke ebenso für dieses Zitat.

    mit den besten Grüßen
    Jördsón

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.