Wann beendet man eine fordernde Szene?

Im Bondage-Forum stellte ein Mitschreiber die Frage:

  • Wie entscheidet der Aktive, wie lange er eine Situation aufrecht erhält ?
  • Wann muss der Passive aus der Rolle befreit werden, wenn es um etwas geht, was länger machbar ist, aber doch irgendwann ein Ende haben muss ?

Da ich schon vorzeitige Abbrüche fordernder Szenen erlebte, die mich nicht das haben erreichen lassen, was ich erleben wollte, sehe ich die Brisanz der Frage. Zunehmend muss ich sie mir auch selber stellen, wenn ich in der aktiven Rolle bin und nicht recht weiß, wann es eigentlich genug ist mit der aktuellen Zumutung. Nicht immer kommen von Sub eindeutige Signale, an denen man sich zur Not orientieren kann. Was dann? Gibt es Kriterien für den Abbruchs, die Erlösung des „armen Opfers“ ?

Manches Mal bin ich auch schon – durchaus gegen meinen Willen – aus Situationen befreit worden, die einfach kein Potenzial mehr in sich trugen, wo lediglich meine mentale bzw. gefühlsmäßige Verwirrung zur Meinung führte, hier geschehe immer noch etwas Wesentliches.

Womit schon der erste „Abbruchpunkt“ beschrieben wäre:

1.) Wenn alles erlebt ist

Wenn alles erlebt ist, bringt die Verlängerung nichts mehr, sondern das, was ist, beschränkt lediglich den Aktionsradius für weiteres Erleben.

Wenn ich z.B. in einer Flag-Szene gut ins Weinen gekommen bin (was bei mir nicht leicht geschieht), dann ist es bald Zeit zum Abbruch, denn damit ist das ganze Spektrum mir hier möglicher Gefühle durch. Alles Weitere brächte bloß Wiederholungen, Erschöpfung, Banalisierung des Geschehens.

Oder in einer längeren Fesselung sind sämtliche Arten, damit zu spielen, durchprobiert, auch die Freuden und Irritationen des Wartens auf Befreiung sind ausgekostet, die Feelings im Verhältnis zu Dom/Top sind weidlich ausgelebt – warum dann noch weiter machen???

2.) Dominanz als Erlösung

Oder Dom/Dommés DOMINANZ erlöst: Wenn es sich um Szenen und Zumutungen handelt, die Sub sich gewünscht hat, dann ist es irgendwann an der Zeit, zu zeigen, dass Top auch die Macht hat, die Sache zu beenden. Im Fesselkontext: Eine Beschränkung seiner/ihrer Möglichkeiten ist für Sub auch eine Befreiung. Diese zu geben und zu nehmen ist Tops Sache, Sub sollte beides freudig und voller Hingabe akzeptieren, anstatt wie ein trotziges Kind zu versuchen, im Lieblings-Quäl-Arrangement längstmöglich zu verharren.

3.) Erkenntnis und Verwandlung

Am schönsten ist, finde ich, wenn die Erlösung, bzw. das Ende auch aufgrund eines tiefen VERSTEHENS erfolgt, bzw. davon begleitet ist. Das wird allerdings eher bezüglich längerfristiger, bzw. „zwanghaft“ wiederholter Zumutungen und Szenarios von derselben Art eine Rolle spielen. Und es hängt davon ab, wie die Beteiligten geistig eingestellt sind: viele BDSM-Praktizierende lehnen das Verstehen ab, weil sie sich durch Fragen nach den „Wurzeln der Neigung“ pathologisiert fühlen. (Unsinn, wie ich finde, ein sich selbst Abschneiden von der eigenen Wahrheit, vom inneren Wachstum – aber jeder, wie er will und kann!)

Die Zumutung / das Arrangement / die Fesselung / die wiederkehrende Szene – all das sehe ich dann an wie ein „Symptom“: WAS will dieses (im Grunde ja von Sub selbst erschaffene) Arrangement SAGEN bzw. AUSDRÜCKEN??

Man kann es wie ein Zeichen, eine Botschaft, eine zu entschlüsselnde Geheimschrift ansehen und sich fragen:

  • Was GEWINNT Sub dadurch?
  • Bzw. was wird Sub dadurch endlich los?
  • WOVON befreit die Fessel / die Zumutung?
  • WARUM ist das so nötig geworden, woher ist das gekommen?

Letzteres sollte nicht mittels endlosen intellektuellen Grübelns geschehen. Es genügt, sich diese Fragen zu stellen und abzuwarten, was passiert. Die Antworten „fallen ein“, sie werden nicht erdacht/ergrübelt, sondern sind ja bereits vorhanden, müssen nur zum begriffstutzigen Vordergrundwesen (=Alltags-Ich) durchdringen. Es können Einfälle, Träume, Assoziationen in bezug auf erlebte persönliche Geschichte sein – Manches mag auf einmal anders, vollständiger aussehen als bisher. Blickwinkel, die man zuvor nie eingenommen hat, weil zu sehr „eingeschweißt“ in die jeweilige Situation und „damals“ unfähig, etwas anders zu machen/zu erleben/anders zu bewerten.

Es gibt sehr viele Formen, wie sich das Zeichen entschlüsseln kann – und wenn Top das Gefühl hat, nun ist ein Groschen gefallen, kann er/sie in bester schamanischer Manier das Mysteriendrama zu einem wundervollen Ende bringen. Die „Erlösung“ ist im Inneren bereits geschehen, die äußere „Lösung der Fesseln“, ist BESTÄTIGENDES Symbol / Zeichen der Heilung bzw. Ganzwerdung.

„Groschen fallen“
klingt wieder viel zu mental und auch zu PLÖTZLICH: ich habe es als Veränderung der Gefühle zu mir selbst und zu meiner Vergangenheit erfahren. Eine Heilung gewisser Wunden durch Hingabe/Annehmen, durch den ruhigen Blick aufs Ganze, durch warmes Mitgefühl mit dem, was ich war und was ich erlebt hatte – unbeschreiblich schön, befreiend und bereichernd.

Ein solches Ende mit ERKENNTNIS, die immer ein Stück Selbstveränderung bedeutet, kann manchmal auch das Ende einer bestimmten Neigung / Vorliebe / Macke, also den „Verlust“ eines bestimmten Kicks bedeuten. Was man gewinnt, ist allerdings sehr viel mehr als ein Kick, ich habe noch nie bedauert, etwas hinter mir gelassen zu haben, was auf diese Weise von mir abfiel. :-)

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