BDSM und Kommerz

Immer wieder erregt es die Gemüter, wenn Szene-Medien und Communities „kommerziell werden“. Plötzlich gibt es Premium-Dienste, kostenpflichtige Mitgliedschaften, mehr Werbung und allerlei Angebote rund ums „Eigentliche“. Böse, böse, böse???

„Wenn auf den Seiten Filme, Bilder usw. über eine kostenpflichtige Mitgliedschaft bereitgestellt werden, dann unterstelle ich dem Ganzen einfach mal einen rein kommerziellen Zweck, der dazu dient, andere abzuzocken, auch wenn vielleicht sogar ganz lautere Gedanken dahinterstecken.“

Das ist so ein typischer Satz (aufgepickt im Bondage-Forum), der das ganze ambivalente Verhältnis zum Kommerziellen ausdrückt, das für DE so typisch ist. Geld verdienen ist „unlauter“! Kein Wunder, dass wir wirtschaftlich nachhaltig stagnieren und nur die Konzerne noch global Geschäfte machen, wir zuhause aber nicht.

Ich möcht‘ echt mal wissen, warum immer so diskriminierend von „Abzocke“ die Rede ist, wenn für eine Leistung Geld verlangt wird??? Und: Ist jemand, der sein Hobby/seine Neigung zum Beruf bzw. zu einem professionellen Standbein weiter entwickelt, deshalb irgendwie „sündhafter“ als jemand, der mit Dingen und Diensten Geld verdient, die ihm völlig schnuppe sind??? Soll Arbeit, sobald sie Freude macht, nicht mehr bezahlt werden??

Umsonst und „aus Bockprinzip“ arbeiten trägt eine ganze Weile: der Aufbau, die Entwicklung eines Projekts ist eine kreative Arbeit, die ihren Lohn in sich selber trägt. Man tut das, was Lust und Freude bringt, bekommt meist positives Feedback vom geneigten Publikum, alles ist gut. Wenn es dann aber zur Routine wird, dann sieht man nicht mehr ein, endlos Sklave der eigenen Kundschaft / des Publikums zu sein. Denn dieses Publikum stellt ja Ansprüche, dass das bisher Geleistete weiter laufe und immer besser und vielfältiger werde – tja, mit welchem Recht eigentlich???

Es geht wohlgemerkt um LEISTUNGEN. Wenn jemand einen selbst laufenden Betrieb geschaffen hat, der niemandem mehr Arbeit und Kosten verursacht, dann tritt das Problem nicht auf. Dann können die Community-Mitglieder mit Recht sagen: lass es einfach laufen, wir machen das schon…
DAS aber kommt nahezu nie vor. Eine Community bedarf immer zumindest der Pflege, sonst versandet sie schnell. Technik, redaktionelle Arbeit, Verlinkung/Bekanntmachung, ständige Aufmerksamkeit, jede Menge Kommunikation und auch Animation und Seelen trösten – das wächst sich locker zu einem anstrengenden und vor allem zeitfressenden Job aus.

Es bleibt also nur die Alternative: dicht machen und auf zu neuen Ufern ODER sich überlegen, wie man es schafft, dass sich die Weiterführung „rechnet“, sprich: dass für die Arbeit, die nicht mehr reine Lust & Selbstverwirklichung ist, eine entsprechende Gegenleistung in Euro rein kommt. Daran ist nichts Sünde, nichts böse „Abzocke“, sondern das ist das Wirtschaftsleben, von dem wir alle leben, solange wir die Photosynthese noch nicht beherrschen und uns allein vom Licht ernähren.

Es fragt sich dann, FÜR WAS man Geld verlangen möchte und wie. Hier ist die Kreativität erneut gefragt: einfach Eintritt nehmen wird gewiss die meisten User verstören und versauern. Grundsätzlich gilt: Alles, was es BISHER kostenlos gab, muss es auch weiter kostenlos geben. Denn sonst fühlen sich die Leute beraubt, egal wie unberechtigt ihr Gefühl sein mag. Der Weg der „Premium-Mitgliedschaft“, den manche SM-Projekte gehen, ist also aus meiner Sicht ganz in Ordnung, sofern dabei ein echtes MEHR angeboten wird. Eine andere Methode wäre das „beiläufige“ Anbieten von Waren, die das Publikum sowieso braucht – etwa Seile für Bondage-Freunde, Toys, Bücher etc.

Da mach ich doch gleich mal mit und rühme aus ganzem Herzen die wundervollen, handgewalkten/selbst gefärbten Hanfseile, von denen ich aus einem Großeinkauf noch einen Restposten abzugeben habe. Wer Interesse hat, kann mir mailen, macht ein echtes Schnäppchen und MOTIVIERT mich, dieses Blog als Erfolg zu begreifen! :-)

5 Kommentare

  1. Sehr schön bemerkt und sehr schön geschrieben!

    Leider unterliegt Deutschland momentan einer gefestigten Kostenlos-Kultur, bestätigt und bekräftigt durch Geiz-ist-geil-Sprüche oder Billiger-gehts-nicht-Slogans. Niemand macht sich mehr Gedanken, welcher Aufwand, welche Arbeit bzw. welcher Gegenwert in einer in Anspruch genommenen Sache steckt. Im Gegenteil – es wird geschimpft, DASS es etwas kosten soll und nicht selten gleich gedroht, man fände schließlich um die Ecke den gleichen Inhalt kostenlos.

    Es ist schwer in Deutschland, sogar mit realer, harter Arbeit.

  2. Hei

    Umsonst ? Es gibt nichts umsonst ! Rein garnichts !
    Es wird den menschen vorgegaukelt – und sie sind davon überzeugt . Ist aber ein trugschluss .
    Jegliche leistung , die erbracht wird , egal wo , wie , wann und wie lange , verursacht kostet und muß bezahlt werden .
    Menschen , die das nicht wahrhaben wollen , leben realitätsfremd .

    Gruß @b-h

  3. Schön zusammengefasst. Endlich mal ein ehrlicher Umgang mit dem Thema.
    Was halt wichtig ist, ist vorher zu wissen, dass kommerzielles Interesse da ist, sonst kommt es zu Missverständnissen.

  4. Meine Güte, so was von aus der Seele gesprochen! Arbeit für die „Szene“ darf um Himmels willen nix kosten, weil sonst ist man ja eine „Professionelle“, und das ist so was von pfui gack in der „Szene“. Und wenn dann noch eine Profi – Domina auch auf normalen Parties auftaucht, dann kann sie ja nur da sein, um Kunden zu keilen, und nicht, um sich privat zu amüsieren! Weil die machen SM ja nicht, weil sie es mögen, sondern weil sie abzocken wollen!
    Aber wehe, man wird eingeladen, mal selbst was zu tun, kostenlos natürlich, da gibts dann die herrlichsten Ausreden …

    LG
    Rubberinchen

  5. In vielen Projekten steckt aufwendige Arbeit, Betreuung und Weiterentwicklung. Das kostet Zeit und oft auch Geld. Ein Webserver, ein Domainname, oft auch Rechtsberatung sind Kosten die auf Betreiber von Seiten zukommen. Ich halte es für legitim wenn sich Nutzer an den kosten beteiligen. Ob das nun über bezahlte Mitgliedschaften oder Spenden passiert.

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