Angst in Fesseln – eine Streckfesselung

Ich habe seit ein paar Monaten Haken in der Wand, um allerlei Fesselungen machen zu können, die eine Fixierung an externen Strukturen brauchen. Auch zwei nahe am Boden, an einander gegenüber liegenden Wänden.

Eines Tages fesselte mich mein Spielgefährte zum ersten mal in eine Streckung – ich präferiere bei all diesen Spielen immer schon eher „Engfesselungen“, alles, was mich spreizt und streckt, was die Vorderseite dem Zugriff öffnet, mag ich weniger, es ist jedenfalls nicht das, was noch leicht erotische Feelings zulässt – eben WEIL zu angstbesetzt. Ich erinnere mich, dass es vor Jahren sogar noch problematisch war, mich ruhig auf dem Rücken liegend von einem Mann über die Brust streicheln zu lassen… (lag er dann auf mir, was das Problem weg, da die Vorderseite ja nicht mehr „offen“ lag).

Nun gut: ich lag ausgestreckt auf dem Boden (gerade, keine gespreizten Beine oder Arme), trug Fuß- und Handmanschetten, die jeweils miteinander verbunden waren. Als er begann, die Füße mittels eines Seils an der Wand zu fixieren und dann auch die Hände nach OBEN hinten zog, ergriff mich Angst und eine leichte Panik – allerdings nur vom Körper her, ich war klar und kommunikationsfähig und hatte ihm schon gleich beim Beginn dieses Experimentes gesagt, dass es für mich womöglich „heavy“ sein wird, auch ganz ohne den Aspekt von Schmerz.

Ich hatte richtig vermutet: Kaum war ich so „ausgestreckt“ gefesselt – und zwar so, dass es KEIN BISSCHEN schmerzte, ich aber den Zug spürte und mich nicht mehr groß „winden“ und bewegen konnte, zitterte ich wie Espenlaub, Schauer gingen über meinen Körper – der linke Fuß hatte zunächst noch ein bisschen Spiel und ich merkte mit Staunen, dass alle Energie dahin floss und ich wie verrückt mit diesen Fuß schüttelte – wohl, um die Spannung „heraus zu schütteln“, deren „unangenehmen“ Aspekt ich nicht mal FASSEN konnte: da WAR NICHTS!

Im Grunde war die Lage zwar gestreckt aber durchaus komfortabel – alleine der FAKT, derart hilflos und wehrlos zu sein, mich SPÜRBAR nicht entziehen zu können, die Vorderseite offen den Zugriffen ausgesetzt, löste gewaltige physische und psychische Reaktionen aus, die mich „in den Grundfesten“ erschütterten: irre!!! Ich spürte, wie die rein physisch ausgelöste Angst mich zittern und schwitzen ließ, spürte einen Anflug von Übelkeit – zum Glück so geringfügig, dass ich es mir noch zutraute, noch ein wenig länger auszuharren, was da weiter werden würde mit meinem Befinden.

Vielleicht waren es zehn, vielleicht zwanzig Minuten – keine Ahnung! Mein fürsorglich-sensibler Top tat dankenswerterweise nichts, was mich weiter „gefordert“ hätte, er berührte mich nur hier und da sanft, streichelte mich…. uuuuh!!!!!!!! Schwer zu beschreiben, wie mich all das mitgenommen hat!!!

Danach war ich schwer beeindruckt. Mein Kopf lief auf Hochtouren, das Erlebnis einzuordnen und zu verkraften. Die Erfahrung reichte weit über das begrenzte Erotik-Spielfeld hinaus und wirkte gewaltig nach. Und dann, vielleicht nach zwei Stunden, bat ich ihn, es noch einmal zu tun.
Es wäre nicht gut gewesen, das „so gewaltig Beeindruckende“ nun eine Woche oder länger in mir wirken zu lassen – ich wollte SOFORT die Wiederholung, kann nicht genau sagen, warum.

Alsdenn: Same procedure as bevor! UND SIEHE DA: es war jetzt vergleichsweise easy! Mein inneres Erleben hatte sich verändert – der Körper hatte GELERNT, das Empfinden hatte das „Gefürchtete“ in seinen „Kompetenzrahmen“ aufgenommen. Ich war genauso gestreckt wie zuvor, konnte es jetzt aber recht ruhig erleben – ja, es war sogar möglich, zur Schattenwelt-Erotik zurück zu finden und mit „Verschärfungen“ zu spielen: er betropfte mich auf der vorhin noch so überempfindlichen Vorderseite mit Wachs – und ich konnte das im DS/SM-Sinne GENIESSEN, sogar lachen, reden, ein bisschen provozieren…

Wow, was für ein Erlebnis! Und sogar mit einer Lehre: wenn ‚was psychisch besonders mitnimmt, mach’s nochmal, Sam! (natürlich nur mit einem vertrauten Partner und nur dann, wenn dich das Abenteuer kickt!)

SM-Bondage

Wie man aus dem Bericht unschwer erkennt, handelt es sich bei solchen spontanen Ängsten und heftigen psychophysischen Reaktionen nicht um rational begründbare Gefühle: Vertrauen, Kommunikation mit dem Partner, Schutz – all das war gegeben und sogar bewusst. Doch unterhalb derVerstandesebene beginnt der riesengroße Bereich des Unbewussten, in dem uralte Prägungen und Traumatisierungen eine Rolle spielen, aber auch die ganz normalen kreatürlichen Ängste, die jedes Säugetier erlebt, „wenn es eng wird“. Dann setzen Automatismen ein, entsprechende Stöffchen werden ausgeschüttet (Adrenalin!) , der Körper will fliehen oder angreifen und wenn beides nicht geht, kann Panik aufkommen, bzw. zumindest Anflüge davon.

Mich reizen Szenarien, die solche Urängste hervor kitzeln. Sie sind weit intensiver als ein „gemütliches Seil-Ikebana“, bei dem die Gefesselte nichts weiter fürchtet, als dass Top über der ganzen Knoterei die Session vergisst. Bondage ist hier keine Kunstform, sondern eine definitiv sadomasochistische Praxis: das Spiel mit dem „Schmerz“, gefesselt zu sein und sich nicht mehr wehren zu können gegen das, was kommen mag. Je nach Erfahrung bedarf es unterschiedlicher Intensitäten, um an diese Erlebensebene heran zu kommen: bei einer Person reicht schon das leichte Fesseln der Hände, um schier auszurasten, eine andere muss verschnürt werden wie ein Paket und womöglich „zusatzbehandelt“, um die Wellness-Region hinter sich lassen zu können.

Unter der Voraussetzung, dass sich Sub der Brisanz des Erlebens bewusst ist und beide wissen, was sie tun, können solche Erlebnisse „auf des Messers Schneide“ ungeheuer bereichernd sein. Denn Sub LERNT in (evtl. wiederholter) Erfahrung, wie es geht, die Gelassenheit zu bewahren, bzw. wieder zu gewinnen: entspannen, alle Aufmerksamkeit auf den Atem konzentrieren, ruhig atmen – das ist der Weg, wie heftige Gefühlswallungen zu harmonisieren sind. Die intensive Selbstbeobachtung, die beim Ringen um die innere Ruhe quasi automatisch einsetzt, ergibt ganz nebenbei ein hohes Maß an Selbsterkenntnis über das Zusammenwirken von Körper, Psyche und Geist: man erkennt, wie „automatenhaft“ manche Prozesse ablaufen, mit denen wir üblicherweise intensiv identifiziert sind und sieht, wie all das zusammen wirkt. Man kann lernen, diesen quasi animalischen Automatismen nicht zu verfallen, sondern sie bewusst zu beeinflussen – innere Stärke, Freiheit der Wahl (was ich fühlen will), die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung sind die Benefits, die hier zu gewinnen sind.

Wer gerne (nicht nur beim Bondage) in diese Bereiche vorstößt, aber ansonsten ein eher körperfernes Leben führt, ist vielleicht gut beraten, mit Yoga oder einem ähnlichen Übungssystem anzufangen. Das lehrt nicht nur die nötigen Techniken, um aus SM-Sessions maximalen Nutzen zu ziehen, sondern dient ganz allgemein der Gesundheit, Beweglichkeit und der Fähigkeit zum sinnlichen Genießen.

5 Kommentare

  1. Schönes Kopfkino. Danke.
    Passt bitte auf die Gelenke auf,- Schultergelenke sind sensibler als man denkt. So oft wacht man auf und hat sich die Schulter verlegen. Lange Streckung tut da nicht gut. Aber ich seh‘ sowas immer wieder gern.

  2. Pingback: Die verschiedenen Arten der “Lust am Schmerz” » Clus BDSM-Blog vom Yoga der dunklen Erotik

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