Beziehung und BDSM

Was heißt eigentlich „beziehungsfähig“? Der Begriff wird häufig negativ gebraucht, um jemandem „mangelnde Beziehungsfähigkeit“ um die Ohren zu hauen. Unter SM-Aktiven ist der Vorwurf sogar recht beliebt, da die Wünsche und Erwartungen bezüglich der angestrebten Beziehung oft recht unterschiedlich sind.

„Beziehungsfähig“ ist zudem ein Wort, das weiterer Erläuterungen bedarf, um überhaupt etwas auszusagen. Denn „in Beziehung“ stehen auch Menschen, deren Beziehung destruktiv ist oder die sich nur von Ferne kennen. Auch mit meinem Nachbarn, für den ich gelegentlich Pakete annehme, stehe ich in einer Art Beziehung – alleine ist der Begriff also eine „Nullformel“, beliebig mit Spekulationen aufzufüllen, ohne sich wirklich zu verständigen.

Es ist ein großer Unterschied, ob die Fähigkeit zu einer traditionellen Ehe mit Kindern gemeint ist, ob es darum geht, eine spannende Affäre zu gestalten oder eine liebevolle Freundschaft mit oder ohne Erotik. Nicht jede/r ist für alles zu haben – das dann mit „beziehungsunfähig“ zu titulieren, halte ich für falsch: er/sie will einfach etwas ANDERES.

Persönlich mag ich Menschen, die in sich ruhen und auch unabhängig von einer Zweierbeziehung gut mit sich und der Welt zurecht kommen. Die Unterschiede nicht als Fehler oder Angriff verstehen, sondern die Andersheit des Anderen sein lassen können, ohne in mehr oder weniger zwanghafte Umerziehungsbemühungen zu verfallen. Denen emotionale Erpressung also FREMD ist, aktiv und passiv.

…und BDSM?

Dominanz und Unterwerfung, Schmerz zufügen und erleiden, demütigende Behandlungen und das „zur Weißglut treiben“ von Sub – wie ist das alles in einer in diesem Sinne „positiven Beziehung“ möglich?

Ich finde es nicht nur „möglich“, sondern sogar nützlich: alle aggressiven und regressiven Tendenzen der Partner können im gemeinsamen DS/SM wunderbar ausgelebt und dadurch „befriedet“ werden. Niemand ist auf Dauer „immer gut drauf“, sondern je nach Stimmungslage geht uns die Welt auf die Nerven, wir haben Stress, Ängste, Ärger oder sind gelangweilt – und in sogenannten „ganz normalen Beziehungen“ ist es oft genug der Partner, der unter diesen Stimmungen und Befindlichkeiten zu leiden hat. Meist nicht in böser Absicht, sondern einfach, weil er da ist, weil er „nah genug“ ist.

Hat man aber ein gemeinsames „Spielfeld“, in dem andere Gesetze gelten, in dem das Gegenüber willig und bereit ist, auch die negativen Gefühle zu spüren, ja, sie mit Absicht vom Zaun zu brechen oder brechen zu lassen, psychisch und physisch – dann hat das neben der Lust, die Neigungen auszuleben, auch den schönen Nebeneffekt, dass sich auf unbewusster Ebene nichts aufstaut und unkontrolliert das Miteinander vergiftet.

Seine Grenzen findet dieser „Befriedungsaspekt“ dort, wo es um handfeste Konflikte auf der Beziehungsebene geht: die können und sollen nicht „mittels BDSM“ unterdrückt, umgangen, oder auf die lange Bank geschoben werden. Da ist miteinander reden angesagt – ganz jenseits BDSM.

3 Kommentare

  1. Dieter alias Sylvia-DWT Freitag, 2. Januar 2009 um 23:46

    erst einmal wünsche ich dir oder euch ein frohes neues Jahr.
    So und da ich auch in einer SM Welt lebe und zwar 24/7 also eine DS Beziehung führe, geb ich dir volkommen Recht.Aber die Wirglichkeit sieht noch viel anders aus. Weil eine Session wie du sie nenst kann weiter ausgebaut werden. Wie, das muß jeder von sich alleine entscheiden. Es ist sehr schwierig einem anderen einen Ratschlag zu geben. Man kann nur Vermutungen presentieren,darlegen.Die Frage wie gehe ich damit um.Wie komme ich mit meinem Partener/rin zurecht. Und auch mit mir.Wie stelle ich mich meiner Umgebung. Wann ist es Zeit zum Reden. Das sind allen die Fragen die ich berücksichtigen muß. Weil in meiner langjährigen Erfahrung habe ich viele unglückliche Umstände gesehn. Da fängt es an mit , entschuldige das ich das so sage , dumdoms und domsen. Diese Leute haben den Sin des SM’s überhaupt nicht verstanden. Und wenn ich weitererzählen würde worauf es noch an käme würde die Seite nicht ausreichen. Am neisten äergert mich das viele nicht verstanden werden wieso sie sich in die Welt des SM wohler fühlen als in der normalen sexwelt. Aber nun gut ich höre lieber auf , schmunzel.Ich für meinen Teil weiß genau warum ich in die SM Welt gegangen bin. Wünsche dir noch viel Erfolg. Gruß

    Sylvia

  2. StabReim (tough_ntender) Montag, 12. Januar 2009 um 19:58

    Schön finde ich, dass ihr euch kümmert um dieses Thema. Allerdings habe ich nicht das Problem, BDSM in irgendeiner Weise zu rechtfertigen innerhalb einer Beziehung. Je länger ich mich in meinen Bedürfnissen kenne, um so deutlicher wird mir, dass stino Sex und BDSM eher quantitativ als qualitativ sich unterscheiden. – Ich möchte das eigentlich nicht diskuttieren, aber doch auf eines hinweisen:
    Dominanz hier, Submission da, es ist nach meinem Empfinden eine Beziehung nur möglich mit gegenseitigem Respekt. Und der Widerspruch, der darin zu liegen scheint, dass ich dominanter Weise jemanden erniedrige, den ich angeblich respektiere, ist kein Widerspruch, sondern das Geheimnis von Beziehung an sich. Für mich ist es schlicht nicht möglich, jemanden zu erniedrigen, den ich nicht respektiere. Sie wäre ja dann schon „unten“, bevor ich irgendetwas mache.
    Für mich ist der aufgegebenen Stolz, die kaum zu verheimlichende Scham darüber, die sich daraus entfaltende sexuelle Erregung meiner Partnerin genau das und das Wirkliche und Einzige, was ich in meiner Neigung suche.

    Und etwas sehr Wichtiges tritt hinzu: Sie zu erniedrigen ist genau das, was mich sexuell erregt, nicht, weil sie dann unten ist, sondern weil ich die Macht habe, sie genau dadurch zu erregen. Mit dem Schmerz ist es nicht anders: Ihr Schmerz zuzufügen hat nur dadurch einen Sinn, dass es ihr ein Gefühl von ausgeliefert Sein erzeugt. Und wenn sie sich so fühlt, erregt sie das. Bekäme sie NUR Angst durch die Lage, in die ich sie mit meinen schmerzenden Handlungen bringe, oder bekäme sie das Gefühl, ich würde sie dadurch etwa missachten, dann wäre das alles für mich völlig ohne Reiz.

    Was bedeutet das schlussendlich? BDSM ist nicht nur eine besondere Art von Sexualität (das glaube ich eigentlich noch am wenigsten, siehe oben), es ist vielmehr das Musterbeispiel von Beziehung überhaupt!
    Es ist ein Bekenntnis zur Intensität, die wir alle suchen, zur Absolutheit in Hingabe und Verantwortung, zur Bereitschaft, sich und sein Gegenüber zu konfrontieren mit der ganzen Wucht der tiefsten animalischen Gefühle, OHNE sich auf das Triebhafte zu reduzieren, aber auch, ohne das Triebhafte zu verleugnen.

    Nach meiner Erfahrung ermöglicht eine Begegnung unter solchem Anspruch eine Liebe, die an Tiefe kaum übertroffen werden kann. Ich brauche kein Argument, dass mir sagt, es gebe einen günstigen Nebeneffekt, der das Unerhörte rechtfertigt. Ich glaube vielmehr, dass wir mutig zu unseren Impulsen stehen können, und uns in höchste Erregung bringen können, ohne dass das auch nur ein Quäntchen des gegenseitigen Respekts beschädigen muss.

    SR

  3. @StabReim: danke für den langen Beitrag. Für mich hat sich in der Praxis über etliche Jahre gezeigt, dass Neigung nichts FESTES ist, was man nur zulassen / ausleben muss, um dann „vollständig und ganz bei sich“ zu sein. Das wirkt zu Anfang so, weil es sich meist um bisher unterdrückte Aspekte handelt, die umso spektakulärer und „wesentlicher“ wirken, wenn man sie endlich zulässt.

    Dann aber macht man die Erfahrungen, nach denen die Neigung giert. Und – anders als beim Vanilla-Sex – verändert das Erfahrene bzw. dessen auch psychische und geistige Rezeption das Erleben auf Dauer durchaus.

    Etwa den auf Sub-Seite zu Anfang meist recht zentralen Aspekt der erwünschten „Machtlosigkeit“ und „Ausgeliefertheit“: Irgendwann zeigen sich die Motive DAHINTER, die entsprechenden Bedürfnisse sind befriedigt, die Fragen beantwortet, die Wunden geheilt – und das Bedürfnis verblasst. Insofern vermute ich, dass auch du nicht in alle Ewigkeit drauf abfahren wirst, die (verliehene) Macht zu haben, mit Sub dies und das anzustellen. Wenn das „nichts Besonderes“ mehr ist, die Sub sich widerstandslos „nach unten“ begibt, wenns gewünscht wird, kann das nicht bleiben, was es einmal war.

    DAS und ähnliche „Plastizitäten“ der Neigung zeigen m.E. den großen Unterschied zwischen BDSM und Vanilla. Sexuelles Begehren ist primär, sadomasochistische Gelüste sind Sekundäres, das sich dessen bedient. Hauptstraße und Nebenwege also, wobei zugegeben die Nebenwege sehr viel spannender sein können – für die, die sich dahin „verirren“.

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