SM und Endorphine

vom masochistischen „Fliegen“

KlammerorgieLange glaubte ich, zum Masochismus müsste man „veranlagt“ sein und beneidete die so Geborenen um ihre Fähigkeit, Schmerzen zu genießen. Selbst war ich nicht dazu im Stande. Wenn es weh tat, tat es weh und es gab nur die Möglichkeit, die Situation mittels „Lust an der Machtlosigkeit“ zu erotisieren.

Schmerzliche Behandlungen lernte ich mittels dieses submissiven „Start-Kicks“ dann auf zwei Weisen zu „genießen“:

  • Entweder, indem sich mittels gleichzeitiger erotischer Stimulation und nur langsam sich steigernder schmerzlicher Reize die Schmerzschwelle hebt – dann sind auch heftigere Schläge nur ein intensiver Massagereiz, oft sogar selbst erregend.
  • Oder durch intensive und kontroverse Auseinandersetzung mit Top, der zwar auch zuerst „aufwärmt“ (weil er eben ein Könner ist!) , es dann aber drauf anlegt, mich mittels der schmerzhaften Behandlung wütend zu machen – was nur gelingt, wenn uns beiden der Sinn nach der härteren Gangart steht.

Die erste Form des Genießens ist die Lustschmerz-Ebene (viele praktizieren nur sie). Sie bleibt im Raum der Geilheit und endet gewöhnlich auch in einem Orgasmus.

Bei letzterem Verlauf ist „Erotisieren“ ein etwas unpassendes Wort, doch das Problem ist BDSM-typisch, indem man immer mal wieder vom „Ersehnen des Gefürchteten/Gehassten“ sprechen muss. Auf eine abgründige Art „genieße“ ich das Spiel mit den Schattenanteilen der Psyche (Shadow-Play), raste gerne aus, erlebe die ganze Palette der dunklen Gefühle: Wut, Hass, Trotz, Stolz, Wehleidigkeit etc. – die aber am Ende umschlagen ins Weiche: Tränen, Entspannung, Glückseligkeit, Zärtlichkeit. Eine Art Katharsis.

Nun, die „Bewegtheit der dritten Art“, das masochistische Fliegen, war mir unzugänglich. Ich hatte keine Ahnung, dass es hier etwas zu lernen gibt, dass das Genießen davon abhängt, dass ganz bestimmte Schmerzen auf bestimmte Weise zugefügt werden. In Foren fragte ich die Masos aus und bekam schließlich einen Tipp, der mich der Sache ein Stück näher brachte: Eine Frau erzählte, dass sie mittels Nadelungen sehr schnell ins „Fliegen“ käme..

Aha! Jetzt begann ich zu ahnen, um welche Art Feeling es gehen könnte auf dem Weg ins Maso-Paradies. Nadeln kommen für mich zwar nicht in Frage (zu konzentrationsbedürftig und klinisch für unseren eher „fetzigen“ Session-Stil) , doch ich erforschte die Sache mittels Klammern: viele Klammern… und ja! Das war es! Jetzt spürte ich die Berauschung, schon nach wenigen Klammern wachsen die Schmerzpunkte zu einem Schmerzfeld zusammen, das keine Spitzen aufweist (wenn Top sie nicht zum Wachbleiben immer mal wieder setzt). Eine Art euphorische Trance stellt sich ein, ein Rausch mittels körpereigener Substanzen: Endorphine und Adrenalin.

Ich freute mich, das „Geheimnis des Fliegens“ gelöst zu haben, war aber auch ein wenig enttäuscht von der Banalität. Räusche kenne ich zur Genüge, das alleine rechtfertigt für mich keine Session, ist allenfalls als „Zutat“ ganz nett. Da das Gefühl an sich nicht geil ist, die Dröhnung in Kopf und Bauch nicht unbedingt sexuell anturnt, hat so eine Endorphin-Session für sich kein Ziel, keinen Spannungsbogen, keinen psychischen „Impact“. Man kommt einfach irgendwann wieder herunter – bei mir auch mal begleitet von leichten Übelkeitsempfindungen (und einem schönen Drang zum Weinen!). Aufs Agressiv-kontroverse kann ich dabei erst recht nicht richtig einsteigen, es sind eher meditativ gestimmte Session-Phasen, kooperativ und harmonisch.

Natürlich geht es nicht nur mit Klammern – auch bei einer rhytmischen Flaggelation werden Endorphine ausgeschüttet, doch muss ein Paar dafür sehr eingespielt sein, damit Sub nicht aus der Trance gerissen wird. Und Flag verleitet ja eher zu vielfältigen Techniken, Ryhtmen, Instrumenten – da bleib ich viel zu wach und auf „hab Acht“, um abzufliegen, bzw. ich bemerke es nicht als zentrales Geschehen.

Wegen der leichten Übelkeit hab‘ ich noch ein paar Recherchen über die Wirkungen von Endorphinen unternommen, schrieb auch einen Schmerzexperten an, den ich zur Sache befragte. Das letzte Erlebnis war eine wundervolle Sisal-Seil-Bondage, verschärft durch in der Fesselung anstrengenden Sex – vom Seil hab ich ihm erzählt und ihm ansonsten glaubhaft vermittelt, dass ich sie sonst noch alle in der Birne habe. Er gab mir den Rat, es mit den Praktiken in der Häufigkeit nicht zu übertreiben, da sonst eine Gewöhnung, eine Abstumpfung einsetze – und ob ich das denn wolle?

Nein, das will ich ganz sicher nicht. Ich bin ihm dankbar, dass er mir diesen Aspekt bewusst gemacht hat. Nicht nur Klammersessions, sondern jede Art Freude, Glück, Wohlgefühl, Exstase ist ja AUCH eine Endorphinausschüttung – da möchte ich lieber sensibel und empfänglich bleiben, anstatt abzustumpfen und immer schärfere Reize zu benötigen.

Womit wir beim Sucht-Aspekt angekommen sind, der aber das Endorphin-Thema übersteigt und ein andermal besprochen wird.

(demnächst hier :-)

Zur Frage nach dem „schneller, höher, weiter“ gibst grade eine Diskussion im Domantik-Forum:

* SM – Geht es immer weiter?
Wenn du magst, komm dazu!

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