Am Ende des „Wegs“?

Immer wieder begegne ich der „Weg-Metapher“, vornehmlich in Äußerungen von Submissiven: „Es ist ein schwerer Weg, den ich gehe, es wird hart werden!“, „mein Herr begleitet mich sehr einfühlsam auf meinem Weg“, „ich bin auf dem Weg, eine perfekte Sklavin zu werden“ – usw. usf.

Mir persönlich hat diese Art „Weg-Verständnis“ nie viel gesagt. Ich habe mir nie gewünscht, dass mein Partner mich in irgend einer Weise „ziel-orientiert“ verändern möge – und von selber kam auch keiner auf die Idee. Schließlich findet man sich, weil einem der Andere gefällt, wie er ist. Muss man denn erst „einen Weg gehen“, um sich miteinander glücklich zu fühlen? Wohl kaum, man würde von vorne herein einen anderen Partner wählen, oder nicht?

Natürlich gibt es Entwicklung: ich nenne das „aufeinander einspielen“. Anders als ein „Weg“, der ja meist zu einem bestimmten Ziel führen soll, ist Entwicklung jedoch ein Geschehen mit offenem Ende. Und immer eines, an dem beide Seite gleichermaßen Anteil haben. Die Idee, dass allein der Dominante bestimmt, WOHIN die Reise gehen soll, schlage ich der verbreiteten romantischen D/S-Lyrik zu. In einer Beziehung müssen immer beide auf ihre Kosten kommen, und wenn Sub nun mal absolut keine Böcke hat, z.B. zur allgemein „verleihbaren und benutzbaren Dreiloch-Stute“ zu werden, dann wird das auch nichts.

Weg von den Basics, hin zum eigenen „Weg“: Wenn schon „Weg“, dann ist es für mich ein Weg der Selbsterfahrung, meine Sub-Seite auszuleben. Also auszuexperimentieren, wie es mir ergeht, wenn ich versuche, mich dem Willen (und auch der Willkür) meines Partner unterzuordnen. Natürlich bringe ich mich dabei auch selber ein, indem ich – außerhalb der Sessions – Fantasien und Wünsche äußere. Die unter dem Begriff „Topping from the Bottom“ verhandelte Problematik ist keine, die sich in Partnerschaften lange hält: Wer hat schon als Top Lust, immer nur das eigene Programm, die eigenen Ideen zu verwirklichen? Sobald man geschnallt hat, wie man es vermeidet, den Eindruck des „Topping on demand“ aufkommen zu lassen, ist das Thema vom Tisch.

Der wahre Kick auf der Sub-Seite ist ja auch NICHT das Dominieren, das Gängeln des Tops, sondern das Dominieren der eigenen Reaktionen: die Macht ausloten, die man hat, durch Anpassung, Entspannung, Umdefinieren, Passivität, bloßes Beobachten, etc. das, was normalerweise nervt, in Lust zu verwandeln oder zumindest erträglich zu machen. Je mehr diese Fähigkeit sich entwickelt, desto souveräner wird Sub auch im Alltag: niemand schafft es dann noch, durch Drücken bestimmter Knöpfe, durch Provokationen, Vorwürfe, Schuldzuweisungen, Lobhudelei und ähnliches, das Denken und Handeln zu manipulieren. Denn Sub ist es gewöhnt, derlei Interventionen und die eigenen emotionalen Reaktionen darauf sofort zu erkennen und zu neutralisieren.

Da ich an die „unbewusste Absicht“ glaube, gehe ich davon aus, dass viele genau deshalb auf der Subseite spielen: um letztlich MÄCHTIGER zu werden, unabhängig von jedem eigenen Gefühlswirrwar, dass durch irgend jemanden oder irgend etwas ausgelöst werden kann und den klaren Geist verwirrt.

SM-technisch ist der Lernerfolg auf diesem „Weg“ dann durchaus auch kontraproduktiv. Denn irgendwann klappt es einfach nicht mehr, Sub in diese oder jene emotionale Bredouille zu bringen, mit der man früher so schön spielen konnte. Man kann ein Ego nicht demütigen oder zum Kampf heraus fordern, das gar nicht mehr darauf besteht, immer auf dem Thron der eigenen fehlerfreien Großartigkeit zu sitzen. Innere Gelassenheit ist nicht mehr mittels „mentaler Spielchen“ irritierbar – in gewisser Weise ist das für mich „das Ende des Wegs“.

3 Kommentare

  1. Hi clu,
    wenn sub meint, sie sei auf einem Weg, geht es oft um die klassische Konstellation erfahrener dom/unerfahrene sub. dom muss sich nicht verändern, er kann und weiß ja schon alles. Die sub muss sich verändern, um die „perfekte“ sub zu werden. So die Denke. Geht ja gar nicht, wir Menschen sind ständig im Wandel, ob bewußt oder unbewußt. Denn jeder Erziehende in jedem Bereich verändert sich durch erzieherisches Handeln, nicht nur der/die Erzogene. Egal wieviele Sessions dom schon hatte, keine ist wie die andere. Und durch die Interaktion entstehen bei beiden neue Erfahrungen. Mir gefallen deine Formulierungen „aufeinander einspielen“ und Entwicklung in dem Zusammenhang. Wenn es gut läuft, sind beide auf einem gemeinsamen Weg.

  2. Liebe Clu Maria,

    hab Deinen Artikel heute morgen gelesen und irgendwie hat er mir einen ganzen Tag lang gute Laune beschert; ich find manche Denkfiguren „der“ Szene mittlerweile nur noch lustig.

    Du hast natürlich völlig Recht mit Deiner Kritik an den „Weg“-Metaphern; es mutet wirklich absurd an wer alles meint wem sagen zu können wohin „der“ Weg führen soll.

    Wenn der Papst oder der Dalai Lama Ratschläge für einen Weg parat hat, gehört das ja irgendwie zu seiner Job-Beschreibung (obwohl ich persönlich auch auf solche Ratschläge verzichten kann), aber dass jeder Dom verkörpern muss „den“ Weg für seine Sub zu kennen und sie auf diesem führen zu wollen halte ich für bestenfalls fragwürdig.

    Vielleicht bin auch vom wahren D/S Glauben abgefallen oder hab ihn nnie besessen, aber ich sah meine Aufgabe eher darin, mir und meiner Partnerin aka „sub“ (ich mag solche Klischees nicht sonderlich) ein größtmögliches Mass an sexueller Befriedigung zu ermöglichen.

    Mir scheint dass viele SM-ler sich krampfhaft bemühen, Klischees restlos auszufüllen; jede Frau die sich z.B. fesseln lässt ist eine „sub“, die vom „Dom“ geführt werden will und muss – Blödsinn!

    Ich kenne Frauen, die zwar davon träumen verschnürt auf eine Streckbank geschnallt zu werden aber die nicht den Hauch einer submissiven Veranlagung in ihrem sonstigen Leben oder ihren Partnerschaften zeigen.
    Manche macht sich aber Gedanken darüber ob sie denn auch „sub“ genug ist weil sie eigentlich kein Verlangen nach Führung hat usw usw…

    Deinen Artikel finde ich als Denkanstoß sehr gelungen!

    Liebe Grüsse

    D

  3. Vermutlich setzen sich die meisten Leute, die dieses Bild vom Weg benutzen, gar nicht weiter damit auseinander. Sie wollen poetisch wirken, verbinden BDSM vielleicht irgendwie mit Mystik, und der Weg fällt ihnen da halt als erstes ein.
    Weiter hat dieses Bild für mich auch etwas von „entertained werden wollen“. Der Dom macht den Fremdenführer und Bespaßer, Sub folgt und lässt sich unterhalten. :-)

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