Von SM und Liebe, Wunschzettel und Standardprogramm

Immer wieder taucht in den Foren und SM-Communities die Frage auf, wie sich denn Liebe in einer BDSM-Beziehung auswirkt: Kann der dominant-sadistische Partner noch wirklich „böse & gemein“ sein, wenn er Sub doch liebt und ihr Wohlergehen ihm wichtig ist ?

Ein anderer Dauerbrenner ist das sogenannte „Topping from the Bottom“, das auch oft unter dem Stichwort „Wunschzettelsub“ verhackstückt wird: Dom hat schließlich das Sagen, Sub hat zu folgen. Da passt es einfach nicht, bzw. wirkt geradezu Lust-tötend, wenn Sub einen „Wunschzettel“ mit womöglich auch noch sehr konkreten Vorstellungen rüber reicht, die Dom dann quasi „abarbeitet“.

Beide Themen kann man auch mal aus einem anderen Blickwinkel ansehen als aus der Sicht eingeschliffener SM-Traditionen, die oft nur dazu führen, dass sich die Diskutierenden immer weiter ins Paradox verstricken. Denn es ist ja gerade das bekannte SM-Paradox, das solche „Probleme“ überhaupt erst aufwirft: In einer SM-Beziehung ist es liebevolle Zuwendung, wenn Dom auf kreative Weise „böse & gemein“ ist – und dazu gehört es nun mal, Dinge zu tun und zu fordern, die für Sub im jeweiligen Augenblick nicht unbedingt willkommen sind. Gerade das ist ja die „Aufgabe“, die den Kick bringt: Kann ich als Sub die Zumutung erotisieren? Wer dominiert, hat die Freiheit, einzig dem aktuellen Eigeninteresse zu folgen, trägt aber andrerseits die Verantwortung, dass auch Sub auf ihre Kosten kommt – sonst wird sie nämlich auf Dauer nicht die Seine bleiben!

Ich finde dieses Dilemma spannend und ausgesprochen lehrreich, denn es verdichtet ein allgemein menschliches Problem auf dem Spielfeld SM-Beziehung: Wie weit gestatte ich mir, Egoist zu sein? Wie und wann nehme ich auf die Bedürfnisse anderer Rücksicht? Die Entscheidung wird in der Praxis mal so und mal so fallen. Wer allzu einseitig wird, verfehlt den Geist der SM-Beziehung und kommt auch im Alltag in dieser Frage nicht weiter.

Ich vermute, dass dieses „Dilemma“ von vielen Dominanten in unbewusster Absicht gesucht wird, um das zu üben und zu erfahren, was mit dem Verstand alleine letztlich nicht gelöst werden kann, sondern mit Gefühl und Intuition in jedem Augenblick neu entschieden werden muss.

Kein Wunschzettel ist auch ein Programm

Auch das krampfhafte Bemühen, niemals Subs aktuelle Wünsche zu erfüllen oder abgesprochene Szenarien „durchzuspielen“, bedeutet entgegen dem ersten Eindruck nicht etwa volle Freiheit. Es ist nämlich auch nur ein Programm, was sich allerdings erst so richtig zeigt, wenn ein Paar länger zusammen ist.

Jahr um Jahr in jeder Session der Regisseur sein, Sub immer wieder neu „kreativ zu bespielen“ kann für Top auch zum Stress ausarten und zur Last werden. Immer „überraschend“ und „unberechenbar“ agieren zu müssen, schließt eine ganze Reihe Szenarien aus, die nur klappen können, wenn sie zumindest in den Grundzügen abgesprochen werden – sei es, um darüber einen „Meta-Konsens“ zu gewinnen, oder auch ganz praktisch, um mal bestimmte, ganz neue „Rollenspiele“ zu erleben, nach denen es beide vielleicht plötzlich gelüstet. Und: in einem gemeinsam ausgesponnenen Szenario kann Top immer noch jederzeit vom Plan abweichen – das wirkt unter Umständen weit überraschender, als ein immer ähnliches „Überraschungsprogramm“, das auf jegliche Vorbereitung verzichtet.

Neigung verändert sich

Meine persönliche Erfahrung auf der Sub-Seite zeigt mir, dass sich gerade die Sehnsüchte abschleifen, die zu Beginn ganz besonders viel Kopfkino anstoßen und extrem kicken: Machtlosigkeit, Ausgeliefertheit, einzig der Willkür des geliebten Tops anheim gegeben sein – hach, wie spannend und geil! Im Lauf der Praxis, insbesondere, wenn sie häufig genug ist, um keinen Mangel zu spüren, lernt Sub die eigene Psyche und ihr Vermögen, Zumutungen zu erotisieren jedoch sehr gut kennen.

Was zu Beginn im Nebel lockender Ungewissheit lag, wird zunehmend bekannt und die BEWERTUNG der Praktiken und Zumutungen normalisiert sich: Ich weiß mittlerweile recht gut, was ich erotisieren kann und was nicht – und wenn das alles in allem dem entspricht, was auch der Geliebte toll bzw. eher nicht toll findet, entfällt jeglicher Grund, noch Richtung „höher, schneller, weiter“ zu streben und partout neue Zumutungen zu testen. Das würde ja glatt in Arbeit ausarten… :-))

Wie also weiterhin „spannend bleiben“? Bisher hat es immer wieder geholfen, weitere Klischees und Traditionen, die das Dom- bzw. Sub-Verhalten in bestimmte Formen fassen wollen, aufzugeben. Damit will ich nichts gegen Rituale sagen, die können viel Freude machen, wenn sie vom jeweiligen Paar selbst vereinbart und mit Sinn gefüllt werden. Die Wirkung des Meinungs-Mainstreams ist aber auch nicht zu unterschätzen: Man tut oft unbewusst die Dinge recht lange so und nicht anders, weil man es immer wieder so gelesen hat. Das hab‘ ich zum Beispiel neulich gemerkt, als ich zum ersten Mal ein bestimmtes Szenario für eine Session vorschlug – huch, darf denn Sub sowas machen? Klar darf sie – nämlich dann, wenn Top es seinerseits super findet, dass ihm nicht immer alles alleine einfallen muss. Und ihm kein Zacken aus der dominanten Krone bricht, wenn er mal was tut, was Sub erwartet. Wär es nicht sogar recht undominant, darauf zu verzichten, wenn er doch selber Lust drauf hat?

Nicht für Einsteiger

Dieser Artikel wird die Gefühle vieler Einsteiger nicht treffen, das ist mir bewusst. Hätte man mir in den ersten Jahre als „bekennende SMlerin“ prophezeit, dass ich eines Tages auch mal an einem Session-Drehbuch mitschreibe, hätt‘ ich mir an die Stirn getippt. Schließlich wollte ich alles „ganz echt“ haben und nie, nie, niemals auch nur den Hauch von THEATER bemerken müssen. In der Rückschau kann ich nun sehen: Nie war soviel Theater in meinem BDSM wie damals, als ich mich noch dauernd bemühte, eine „gute Sub“ zu sein.

So kann sich das Erleben und die Sicht der Dinge doch ganz erheblich verändern. Die Lust, das Standardprogramm und verschiedenste Konventionen einfach mal in die Tonne zu treten, kommt allerdings erst so richtig auf, wenn man mal alles, was heftig kickt, ein paar Jahre lang intensiv ausgelebt hat. Dann zählen keine Traditionen mehr, sondern nur noch das, was zusammen Freude macht.

4 Kommentare

  1. Du hast hier sehr fein allgemeine Problematiken offengelegt. Ein kleiner Einblick in etwas, worauf viele stoßen werden, wenn sie ihre Erfahrungen sammeln… ich hab mich und die problematik, vor der ich immer wieder stehe hier zumindest deutlich wieder entdeckt.

    Mutig macht, zu wissen, nicht allein zu sein

  2. Pingback: BDSM: Vom Spielen » Clus BDSM-Blog vom Yoga der dunklen Erotik

  3. Ich, als Anfänger, verstehe dich sehr gut. Und es verwundert mich, daß kaum einer einen Kommentar geschrieben hat.
    Auch ich habe das Bedürfnis, mich als Sub benutzen zu lassen. Dieses tue ich freiwillig und mit Hingabe. Dabei ist die Hingabe, der Schlüssel meiner Unterwerfung. Hingabe ist eine Form der Liebe. Ich unterwerfe mich in Liebe meiner Herrin, um ihre Lust und ihrer Freude zu dienen. Dieses Dienen wird dann auch zu meiner Freude und Lust. Es ist ein Wechselspiel von geben und nehmen. Wenn meine Herrin alles aus reinem Sadismus tun würde, würde ich dagegen kämpfen. Die Trennung wäre unausweichlich. Denn in einem Kampf, gibt es keinen Gewinner. Beide erleiden Verletzungen im Kampf. Ich will nicht mehr im Außen kämpfen. Ich habe genug mit dem inneren Kampf zu tun. Die beiden Kämpfer sind mein Ich und mein Selbst. Diese Beiden zu befrieden, reicht mir vollkommen. Und die Unterwerfung im Bdsm, ist eine gute Möglichkeit zu üben, inneren Frieden zu finden. Dabei muß ich mein Ich unterdrücken oder auch abgeben, um Selbst zu sein. Ist nur Selbst da, ist auch nur Liebe da.
    Also unterwerfe ich mich aus Liebe, um Urlaub von meinem Ich zu bekommen.😁😁😁
    Und ich werfe meiner Herrin gerne mal einen „Knochen“ meiner Wünsche zu, die sie auch gerne aufnimmt, und nach ihren Wünschen ausschmückt. Es ist ein geben und nehmen.
    Im Bdsm gehört gegenseitiger Respekt und Achtung dazu.
    Es wird wohl niemand geben, der in eine Zeitmaschine steigt, um dann als Sklave im Altertum zu leben. Da wird niemand Freude und Erfüllung finden.
    Der Weg im Bdsm ist, ein Weg der Selbsterkenntnis, und der Freude und Lust im und am Spiel. Wer etwas anderes sagt, muß noch einen langen Weg gehen.
    Viele liebe Grüße, Sub m

  4. Hallo,
    Ich bewege mich seit einiger Zeit auf dieser Seite, weil ich mich seit 3 Monaten in einer solchen Beziehung befinde. Ich habe nach erfolglosen Beziehungen mich selber gefunden.
    Dieser Blog hilft mir sehr bei vielen Fragen. Aber ich sehe , dass die Beiträge schon sehr alt sind.
    Gibt es hier überhaupt noch Gesprächspartner? Ich würde mich freuen , jemanden zu finden mit dem ich mich austauschen könnte.

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