Vom Yoga der dunklen Erotik

Wieso Yoga? Du fragst dich, was das mit BDSM zu tun hat? Für mich eine ganze Menge!

Ich hatte das Glück, vor vielen Jahren einen Lehrer zu finden, der mir durch seinen vom ZEN inspirierten Yoga eine neue Weise des In-der-Welt-Seins vermittelt hat. Die langjährige Praxis hat mich so verändert, dass ich gar nicht mehr anders kann, als jegliche „ganzleibliche“ Erfahrung – auch die im BDSM – zu betrachten wie eine Yoga-Asana: Als Methoden der Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis, die dazu heraus fordern, das (üblicherweise in Verspannungen, Blockaden, eingefleischten Fehlhaltungen und Routinen erstarrte) Zusammenwirken von Körper, Geist und Psyche zu erhellen und zu harmonisieren.

Yoga benutzt zum Beispiel die Methode, in statische Anspannungshaltungen langsam hineinzugehen, diese auf dem Gipfel der aktuell möglichen Anspannung (am Rand, nicht jenseits der Schmerzgrenze!) eine zeitlang zu halten, dann ebenso langsam zurückzugehen und auszuruhen. Alle Etappen werden gleichmäßig beobachtet.

Beherrschen wir dies, wird die Aufmerksamkeit noch mehr auf die Art der Spannung (und die Atmung!) gelenkt und wir bemerken mit Staunen, daß sich der Körper auch in der Anspannungshaltung entspannt, nämlich alles entspannt, was für das Halten der Übung nicht erforderlich ist. Dies ist etwas, was wir nicht machen können, weil wir garnicht wissen, was wir machen sollten und wie. Wir sollen auch nicht etwa lernen, bewußt jeden Muskel einzeln fühlen, benennen, und bewegen zu können. Es geht einfach darum, es geschehen zu lassen und zu bemerken.

Bei einem mittelprächtig verspannten Schreibtischleben dauert es seine Zeit, bis der Körper sich wieder erinnert, wie das geht – aber es kommt, sogar bald. Und später – im täglichen Leben, im REAL LIFE – brauchen wir uns nur zu erinnern, wie es sich angefühlt hat und schon kommt es wieder. (Ist das nichts? Da kann doch Technik nicht mal von träumen!). Wir merken jetzt auch viel früher, wann die Anspannungen auftreten. Wir bemerken, daß ein Zulassen von Entspannung auch auf die Stimmung, die Gefühlslage, ja die Gedanken einwirkt und umgekehrt.

Wenn wir uns angegriffen, geängstigt, zornig, geekelt, begeistert und vielerlei anderes fühlen, ist dies Anspannung. Wir stellen fest, daß es in den meisten Fällen ökonomischer und sehr viel angenehmer ist, einfach zu entspannen, anstatt den Gefühlen und Gedanken zu folgen: etwa jeden Fehdehandschuh aufzunehmen, jeder Angst mit hektischem Aktivismus zu begegnen, oder jedes Begehren sofort zu verwirklichen, um die Spannung abzubauen. Und weil wir dann sehr viel öfter entspannt sind, können wir auch besser in der Anspannung verweilen und dennoch einen klaren Kopf behalten, der noch beurteilt, um was es geht und die Übersicht behält (die Fähigkeit kann selbstverständlich im Dienste verschiedener Herren stehen – ich wage aber die Meinung, daß mehrheitlich mehr Friedlichkeit und Fröhlichkeit dabei heraus kommt). Garnicht mehr aus dem Atem, aus dem Gleichgewicht kommen, egal aus welcher Richtung des Seins gerade etwas kommt: das ist es, soweit es die Spannung angeht.

Natürlich ist dies nicht Selbstzweck, Endziel. Es ist viel mehr Grundvoraussetzung, um wirklich handlungsfähig zu werden: in jedem Augenblick bewußt und nicht getrieben wie ein Blatt im Wind von wechselnden Impulsen und den durch sie ausgelösten Spannungen. Nicht stets nur reagierend im Korsett der eingefahrenen Automatismen, mit denen wir den Herausforderungen des Lebens zu begegnen gewohnt sind. Kommt jemand feindselig daher, schlagen wir zurück. Schmeichelt jemand unserer Eitelkeit, fangen wir an, ihn hochzuschätzen. Treffen wir einen attraktiven Mann oder eine reizvolle Frau, setzt gleich Balzverhalten ein. All dies ist ungefähr so spontan, wie ein Fünfmarkstück den Schacht im Zigarettenautomat hinunterrollt, wenn es mal den Einwurfschlitz hinter sich gebracht hat.

So gesehen, ist Yoga Befreiung, Rückführung in ein entspanntes Leben aus dem Augenblick, unbeschwert von psychischen Lasten, die aus dem Denken und aus der Vergangenheit kommen. Ein Leben im Geist des Yoga ist frei von Automatismen und Routinen, die letztlich immer nur Verteidigungsmechanismen sind: Das „gedachte“ Ich will Sicherheit, will Kontrolle, fühlt sich stets angegriffen – wie wunderbar, zu erleben, dass diese Anstrengungen komplett überflüssig sind!

BDSM-Erfahrungen erlebe ich (auf der Sub-Seite) als Arrangements, die meine Fähigkeiten, innere Gelassenheit zu erleben, aufs äußerste herausfordern. Genau wie Yoga-Asanas bedeuten sie eine „Engführung“ : Körper, Psyche und Geist werden unter Stress gesetzt und zunächst reagiert man „ganz normal“, verfällt also den körperlichen Miss-Empfindungen, verspannt sich in Abwehr und/oder Fluchtreflexen, erlebt auf der psychischen Ebene negative Gefühle (die wir im Alltag zu unterdrücken gelernt haben) und das Denken ist verwirrt: Was mach ich hier eigentlich? Warum lasse ich mich so behandeln?

Wenn ich dann – wie im Yoga – einfach beobachte, bzw. zur Kenntnis nehme, was ich konkret erlebe (Empfindungen, Gefühle, Gedanken), ohne dieses Erleben als ständigen „Handlungsauftrag“ zu sehen, ohne fortwährend ein kontroll-gieriges Ich zu verteidigen, dann ist das ein „Loslassen“, das mich immer weiter befreit und eine Stärke ergibt, die nicht aus Anspannung, sondern aus Gelassenheit kommt.

Diese Gelassenheit bedeutet nicht Unberührbarkeit oder Coolness – im Gegenteil, es ist ein Sich-hinein-geben in frei fließende Gefühle, ein Erleben spontaner Emotionalität, das keine „Folgen“ mehr hat, denn es ist im Augenblick bereits VOLLSTÄNDIG.

Was auch Schmerzforscher festgestellt haben, erlebe ich dann auf allen Ebenen: 80% eines Schmerzes (oder einer anderen physischen oder psychischen Belastung) ist der Widerstand dagegen. Gebe ich diesen Widerstand auf, verschwindet auch der größte Teil des „Leidens“. (Besonders deutlich wird das am Beispiel der Demütigung, die nur solange „funktioniert“, solange ich um meine persönliche Außenwirkung besorgt bin).

Soweit für’s erste zum Thema „Yoga und BDSM“.

5 Kommentare

  1. Hallo Clu Maria.

    Ein text , der nachdenklich macht …..yoga und bdsm … ein besinnen auf das wesentliche … auf sich selbst im kern ? Du mußt nicht nur einen guten Lehrer gehabt haben , auch das erfahrene umzusetzen scheint dir gelungen zu sein !?
    Lehren das buddhismus ( yoga gehört dazu ) haben eine unheimliche tiefe . Du hast dich für einen weg entschieden , der sehr viel geben kann .

    Die größte offenbarung ist die stille . Laotze.

  2. hallo Clu Maria,

    Deine Beschreibung deckt sich für mich mit dem Text „der steilste Abgrund“ aus dem Bereich des Tantra, in dem über die Lehrer-Schüler Beziehung reflektiert wird.

    Ich selber sehe das ähnlich, wie Du es beschrieben hast, auch wenn ich nicht Yoga praktiziere, sondern einer anderen spirituellen Richtung folge und ein Dom bin. ;-)

    Vielleicht wird ja eines Tages doch noch mein Buch fertig, in dem ich über die Verbindung von Spiritiualität und BDSM schreibe.

    Bis dahin danke ich Dir erst Mal für diesen wichtigen Beitrag.

    Herzliche Grüße
    C.O.

  3. Spiritualität und BDSM gehen sehr eng „Hand in Hand“. Essen, Arbeiten und Kindermachen mag Sinn des Lebens für die Primitiven sein. Aber man kann auch Fähigkeiten entwickeln. Kochen, Kunst und Erotik sind Künste, die man aus diesen primitiven Ansätzen entwickeln kann.

  4. Danke für diesen wunderbaren Beitrag!
    Für mich ist das Fallenlassen von Wiederstand sowohl ein sehr erotischer, als auch ein spiritueller Akt. Sehnt sich nicht eigentlich im tiefsten Innern jeder danach sich vollkommen öffnen zu können und sich gleichzeitig nicht zu verlieren? Es erfordert gleichzeitig Selbstbewußtsein und Selbstaufgabe und was sieht, ist man wenn alle Mauern gefallen sind?

  5. Liebe Clu Maria,
    ich bin selber Yogalehrerin und gerade auf den ersten Schritten im Bdsm unterwegs und so dankbar über deinen Blog.
    Und wenn du in der Nähe wärst, ich würde dich so gerne auf einen Kaffee einladen….
    Namaste

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